Mitte Oktober gingen fünf neue Sterne am Zürcher Himmel auf, zum Funkeln gebracht vom renommiertesten Führer für die Edelgastronomie, dem «Guide Michelin». Vor einem Monat liess es dann der etwas weniger abgehobene «Gault Millau» Punkte auf Zürich regnen. Doch für viele Beizengänger der Limmatstadt sind die in den beiden Führern gepriesenen Restaurants weder erstrebenswert noch erschwinglich. Für diese kommt jetzt, als bodenständige Alternative, die neue, 34. Ausgabe von «Waltis Beizenführer» gerade recht, um sich gemütliche Restaurants nach eigenem Gusto zum An(fr)essen des Winterspecks herauszusuchen.
Das Gegenteil von Hochglanz
Die Bezeichnung «Beizen» fasst der von Balz Hösly herausgegebene Führer allerdings weit: Edle und teure Restaurants spart er keineswegs aus. Und doch stellt er das pure Gegenteil des ähnlich ausgerichteten, üppig bebilderten Hochglanzführers «Zürich geht aus» dar: Er ist spartanisch aufgemacht, enthält keinerlei Fotos, zählt bescheidene 90 Seiten und hat eine Auflage von lediglich 1500 Exemplaren. Ein Liebhaberobjekt ist er deshalb wohl nicht gerade, und er will auch vor allem nützlich und ehrlich sein. Gastrowerbung gibt es darin keine, nur eine Sponsorenanzeige auf dem Umschlag.
Mauerblümchen und Armbrüste
262 Beizen haben Hösly und sein fünfköpfiges Team besucht und kommentiert; die meisten davon befinden sich in der Stadt Zürich, etliche in der Region und ein paar über die ganze Schweiz verstreut. Wertvoll ist der Führer vor allem dadurch, dass er das eine oder andere Mauerblümchen ins Licht rückt, zum Beispiel das chinesische Restaurant Yan-Ruyi im Morgental.
Um den Nutzen des Beizenführers abzuschätzen, muss man die Website miteinbeziehen. Den Zugang kauft man sich mit dem Büchlein mit und erhält das, was dieses doch recht schmerzlich vermissen lässt: eine Karte mit den genauen Positionen der Beizen. Auflockernd, aber nur bedingt nützlich sind vier Piktogramme: ein N für «neue Beiz», ein Herz für «Lieblingsbeiz 2023», ein schwarzes Schaf (selbsterklärend) und eine Armbrust für «Qualitätsbeiz seit eh und je». Letztere führt zu unfreiwilliger Komik, wenn sie zum Beispiel neben «Sala of Tokyo» steht – da hielten wir doch ein Samuraischwert für angemessener.
Kein Schaf in Sicht
Und das schwarze Schaf? Ich habe mich sofort auf die Suche gemacht, aber keines gefunden. Ach so, die 262 Beizen versprechen ja, laut Medienmitteilung, «jederzeit einen genussvollen Besuch». Das (schwarze) Schaf gibt es also höchstens auf dem Teller ...
Zu den Kommentaren noch ein Wort: Sie sind oft ziemlich floskelhaft und wenig anschaulich, aber sie heben griffig die Besonderheiten und Trümpfe jeder Beiz hervor. Und als Novität gibt es eine Anleitung zum richtigen Lesen einer Weinkarte vom Master of Wine Philipp Schwander. Der Winterspeck kann kommen.