Der Gewerbler brauchte keine fünf Minuten, um etwas Sperriges aus seinem Lieferwagen auszuladen. Sein Auto stand mehrheitlich auf Privatgrund und versperrte weder Veloweg noch Trottoir. Trotzdem brummte ihm ein eilfertiger Mitarbeiter der Abteilung «Ruhender Verkehr» eine saftige Busse auf. Diskussion zwecklos.
140 Franken musste der Gewerbler berappen
Ort des Geschehens: die Kornhausstrasse an der Grenze zwischen den Kreisen 6 und 10. Dort ist ein Halteverbot ausgeschildert. Eine aus neutraler Sicht etwas praxisfremde Ausschilderung, hat es doch an der Strasse mit breitem Trottoir und separaten Velowegen viele Hauseingänge und einige Gewerbebetriebe. Auffällig ist dabei ein spezielles Verbotsschild. Unter dem Halteverbot steht «ausgenommen Züri-Velos bei Verleihstation» (siehe Foto).
Wir haben nachgefragt bei der Dienstabteilung Verkehr der Stadt Zürich. «Sind da die Velos gemeint oder das Fahrzeug, wenn es Velos einsammelt oder bringt? Und: Wenn die Ausnahme für die Züri-Velo-Fahrzeuge (Tieflader) gilt, warum gibt es keine Ausnahmen für andere Gewerbebetriebe, die auf das Ein- und Ausladen angewiesen sind?» Nadja Häberli von der Dienstabteilung Verkehr sagt, mit der schon im August 2018 verfügten Lockerung für «Züri- Velo» habe sich punkto Halteverbot nichts geändert. Aber: «Bei der Überprüfung wurde festgestellt, dass sich verschiedene der geplanten Standorte in einem Halteverbot befinden. Steht das Signal ‹Halten verboten› im Bereich des Fahrbahnrandes, gilt es auch für das angrenzende Trottoir. Ein Halteverbot richtet sich an alle Fahrzeuge, auch an Fahrräder. Bei Missachtung hat dies für den Fahrradfahrenden eine Ordnungsbusse von Fr. 20.– zur Folge (OB-Ziffer 622.02 AA).» Daher könne an mit einem Halteverbot signalisierten Örtlichkeiten nur dann ein Standort für «Züri-Velo» eingerichtet werden, wenn die bestehenden Halteverbote vorgängig gelockert oder ganz aufgehoben werden.
Auf die Frage, ob der Lieferwagen, der jeweils die «Züri Velo» abholt, parkieren dürfe oder nicht, gibt es keine Antwort von der Dienstabteilung Verkehr. Nur so viel: Bei den «Züri-Velo»-Stationen handle es sich nicht um öffentliche Velo-Parkplätze der Stadt. Es dürfen dort nur die Fahrräder von «Züri-Velo» abgestellt werden. Und der Güterumschlag? «Dieser war aufgrund des bestehenden Halteverbots bereits früher nicht möglich. Bitte holen Sie betreffend Ausnahmeregelung für das Zügeln die Antwort der Stadtpolizei ab», so Häberli.
Die eine Sicht: Fast alles verboten
Fazit gemäss Dienstabteilung Verkehr: An der Kornhausstrasse sind das Anhalten und das Güterabladen verboten, das gilt auch für Velos. Nachfrage bei Judith Hödl, der Medienchefin der Stadtpolizei. Gibt es tatsächlich keine Ausnahmen? Und siehe da: «Da an der Kornhausstrasse keine öffentlichen Parkfelder oder Parkverbotsfelder vorhanden sind, sieht es die Verzeigungspraxis der Stadtpolizei Zürich vor, dass ein Güterumschlag trotz Halteverbot toleriert wird.» Hödl konkretisiert das: «Unter Güterumschlag verstehen wir das Verladen und Ausladen von Sachen, die nach Grösse und Gewicht die Beförderung durch ein Fahrzeug nötig machen. Die Güterumschlagszeit ist nur die Zeit, die zum Ein- und Ausladen solcher Güter sowie allenfalls zu deren Transport an den nahe gelegenen Bestimmungsort benötigt wird.»
Stapo hat wohl die Rechtshoheit
Hödl schiebt nach, dass darauf zu achten sei, «dass der Güterumschlag zügig verrichtet wird und das Fahrzeug, welches für den Güterumschlag verwendet wird, so abgestellt wird, dass die anderen Verkehrsteilnehmenden möglichst wenig behindert werden und keine Unfallgefahr besteht.» Zudem seien Pannensignale oder Warnposten aufzustellen, wenn ein Fahrzeug zum Güterumschlag halten muss, wo es den Verkehr gefährden könnte. Und weiter: «Ist der Güterumschlag sehr umfangreich, kann beim zuständigen Kreischef oder der Chefin eine Sondergenehmigung beantragt werden. Damit gehen die Weisungen der Polizei den allgemeinen Bestimmungen sowie den Signalen und Markierungen vor.»
Will heissen: Die Dienstabteilung Verkehr sagt das eine, die Stadtpolizei das andere. Von Amtes wegen wohl höher zu gewichten ist die Aussage der Medienchefin der Stadtpolizei, die ein gesundes Augenmass beinhaltet. Das nützt zwar dem eingangs erwähnten Gewerbler für seine Busse wenig, lässt aber auf eine einfacher zu verrichtende «Büezer-Arbeit» für die Zukunft hoffen.
Keine Probleme im Alltag
Und ein anderes Thema: Die Dienstabteilung Verkehr erwähnte, dass das Halteverbot auch für Velos gelte und eine Busse von 20 Franken droht. Yvonne Ehrensberger, Geschäftsleiterin von Pro Velo Kanton Zürich, nennt das Verbot «bizarr». Sie habe noch nie davon gehört. Aber: «Wenn das die Dienstabteilung Verkehr so sagt und die entsprechenden Verordnungen dazu gibt, dann wird das wohl so sein.» Zum Glück werde das in der Praxis aber nicht «gelebt». Es stelle im Alltag nie in irgendeiner Form ein Problem dar, wenn Velofahrende «halten» und dann direkt aufs Trottoir ausweichen und zu Fussgängerinnen oder Fussgängern werden.
Sogar unter Expertinnen und Experten völlig unbekannt ist, dass es je eine Busse gegeben hätte für Velos wegen der Missachtung des gesetzlich vorgegebenen Halteverbots. Wenn dem so wäre, der «Gaaht’s-no-Preis» für bürokratische Handlungen wäre wohl in Reichweite.