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Stadt Zürich
20.10.2023
19.10.2023 13:37 Uhr

Mordfälle, die Zürich bewegten

Der Ausschnitt vom Buchcover zeigt die Stadtpolizei Zürich bei einem Einsatz rund um einen Mordfall.
Der Ausschnitt vom Buchcover zeigt die Stadtpolizei Zürich bei einem Einsatz rund um einen Mordfall. Bild: zvg.
Der Höngger Stefan Hohler hat sein zweites Buch zum Thema Mord herausgegeben. Der Gerichtsreporter hat die Prozesse im Buch «Mord im Dutzend» persönlich miterlebt. Für seinen Beruf sieht er aber schwarz.

Pia Meier

Den meisten Menschen ist der Höhlenmord am Bruggerberg im Kanton Aargau wegen seiner Brutalität und der Schlagzeilen in den Medien in Erinnerung geblieben. Ein junger Mann hat seinen besten Freund aus Neid und Eifersucht in einer Höhle lebendig begraben. Aber auch der Mord an «Godzilla» in Affoltern hat für Schlagzeilen gesorgt. Eine junge Frau hat ihren gewalttätigen Freund mit fünf Kugeln erschossen. Zwei Kugeln waren gemäss Gerichtsentscheid zuviel für reine Notwehr.

Mord wegen Erpressung

Brutal war auch der Mord im Seefeld. Ein zufällig ausgewähltes Opfer musste sterben, weil der Täter, der auf Hafturlaub war, einen Gefängniskumpel freipressen wollte. Dies sind drei der zwölf spannenden und spektakulären Kriminalfälle, die Autor Stefan Hohler in seinem Buch «Mord im Dutzend» beschreibt. Er hat diese Fälle in den letzten Jahren als Journalist vor Ort und vor Gericht erlebt. «An den Gerichtsverhandlungen erhalten Täter und Opfer in vielen Fällen erstmals ein Gesicht in der Öffentlichkeit und bis anhin unbekannte Hintergründe zur Tat kommen zum Vorschein», erläutert Hohler. Die von ihm beschriebenen aussergewöhnlichen Mordfälle sorgten in den Medien und in der Öffentlichkeit für Schlagzeilen. Anhand der aufgeführten Kapitalverbrechen zeigt Hohler im Buch zudem auf, wie die Justiz funktioniert und welche Faktoren sich bei der Urteilsbegründung niederschlagen. «Dass die Urteile oft im unteren oder mittleren Drittel des möglichen Strafmasses liegen, befremdet mich bei Kapitalverbrechen jedoch häufig», hält Hohler fest. «Hier wird meiner Ansicht nach zu wenig an die Angehörigen der Opfer gedacht.»

Staatsanwalt findet's gut

Dass die Berichte von Hohler authentisch sind, bestätigt Adrian Kaegi, Zürcher Staatsanwalt von 2004 bis 2023. Er bezeichnet das Buch als packendes Zeitdokument über die menschlichen Abgründe schwerster Gewaltkriminalität. «Als ehemaliger Staatsanwalt und Verfahrensleiter des Mordfalls im Seefeld stehe ich als Garant dafür, dass der Autor dieses Werks dem Leser einen hochgradig authentischen und detailgetreuen Einblick in die Welt des Verbrechens verschafft, ungeschminkt und oft verstörend.» Hohler selber hält im Vorwort des Buches fest: «Bei den direkten Gesprächen in den szenischen Einstiegen habe ich mir eine gewisse journalistische Freiheit erlaubt. Die Dialoge bei den Gerichtsverhandlungen und in den Anklageschriften sind dagegen wörtlich übernommen worden.»

Hohler hat bereits 2019 ein ähnliches Buch mit dem Titel «13 Mordfälle und eine Amour Fou» herausgegeben.

Mord im Dutzend, Stefan Hohler, 2023, ISBN 978-3-907339-42-8. Edition Königsstuhl.

Stefan Hohler: «Der klassische Gerichtsreporter ist eine aussterbende Berufsgattung»

Stefan Hohler war von 2005 bis 2019 Polizeireporter beim Tages Anzeiger und ist seit 2020 Gerichtsreporter bei «20 Minuten». Er lebt mit seiner Familie in Höngg.

Stefan Hohler, sind Gerichtsreporter eine aussterbende Berufsgattung?

 «Vollamtliche» Gerichtsreporter haben meines Wissens nur noch der Tages Anzeiger mit Thomas Hasler (der demnächst pensioniert wird) und die NZZ mit Tom Felber. Der langjährige Blick-Gerichtsreporter Viktor Dammann hat sich diesen Sommer zurückgezogen - mit 73 Jahren und nach vierzigjähriger Tätigkeit. Es scheint, dass der klassische Gerichtsreporter eine aussterbende Berufsgattung ist. 

Sie schreiben über brutale Morde. Was fasziniert Sie an der Kriminalität?

Der Blick in die menschlichen Abgründe und die Gründe, wie es zu einer solchen schrecklichen Tat kommen konnte. Am Prozess erfährt man viele Hintergründe zu den Delikten, die vorher der Öffentlichkeit verborgen waren. Man kann die Verbrechen teilweise nachvollziehen, auch wenn man sie damit nicht rechtfertigt oder entschuldigt.

Die heutige Welt ist digitalisiert. Sie schreiben Bücher. Ein Widerspruch?

Trotz Digitalisierung gibt es immer noch viele Leute, die ein Buch in der Hand haben möchten und es nicht am Bildschirm lesen wollen. Das gleiche ist bei Zeitungen und Zeitschriften zu beobachten, wo trotz Online-Artikeln sich viele Leute immer noch eine Printausgabe leisten. Auch ich gehöre dazu.

Tageszeitungen veröffentlichen nur noch wenige lokale Artikel. Wie sehen Sie den Lokaljournalismus?

Positiv. Gerade darum, weil Tageszeitungen immer mehr grosse und lange Artikel schreiben und die kleinen Meldungen und kurze Artikel  - viele davon aus dem lokalen Bereich - weglassen.  Nur müssen sich die Lokalzeitungen im Griff halten und primär über das berichten, was im «Dorf» geschieht und nicht Artikel schreiben, die allgemeinen Charakter und keinen Lokalbezug haben.

Sie sind pensioniert. Was machen Sie den ganzen Tag?

Ich arbeite zu 40 Prozent als Gerichtsreporter bei 20 Minuten. Die restliche Zeit verbringe ich gerne mit Wanderungen und beobachte leidenschaftlich alles, was kreucht und fleucht - ich bin ein begeisterter Ornithologe und interessiere mit sehr für Reptilien und Amphibien. In Höngg, wo ich wohne, gehe ich gerne auf den Hönggerberg spazieren und spiele dort am Samstag öfters Boule.

 

Pia Meier