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Stadt Zürich
31.03.2024
05.04.2024 21:33 Uhr

Produzierendes Gewerbe erwünscht

Sie scheinen zufrieden, ja sogar stolz: Drazenka Dragila Salis von Swiss Prime Site (links) und der leitende Architekt, Lukas Küng (Mitte), mit zwei Medienschaffenden vor dem Yond-Campus-Modell anlässlich der Medienpräsentation Mitte März.
Sie scheinen zufrieden, ja sogar stolz: Drazenka Dragila Salis von Swiss Prime Site (links) und der leitende Architekt, Lukas Küng (Mitte), mit zwei Medienschaffenden vor dem Yond-Campus-Modell anlässlich der Medienpräsentation Mitte März. Bild: Tobias Hoffmann
Das Gewerbehaus Yond in Albisrieden ist ein Erfolgsmodell. Nun wird es zum Campus erweitert. Dieser bietet nicht nur Raum für produzierendes Gewerbe, sondern auch attraktive Aussenräume für Angestellte und die Quartierbevölkerung.

Tobias Hoffmann

Wohnungen bauen! Mehr, viele, überall, so schnell wie möglich! Diese Aufforderung erklingt stadtauf, stadtab, quer durch alle Medien, Parteien, Organisationen. Da mag es schon fast wie eine Provokation erscheinen, wenn ein Projekt für ein grosses Geschäftshaus angekündigt wird – und dazu noch in bester Verkehrslage in Albisrieden. Auf dem sogenannten Albis-Areal, im Bogen der Albisriederstrasse beim Stadion Utogrund, soll das seit ein paar Jahren bestehende Geschäftshaus Yond um zwei Neubauten (Yond.02 und 03) und einen Umbau (Yond.04) zum Yond-Campus erweitert werden. Die Vision ist ein transparenter und durchlässiger Komplex für gemischte Nutzungen im Bereich produzierendes Gewerbe, Handel, Dienstleistung und Gastronomie.

Für einmal also wird hier ein städtisches Indus­trieareal nicht gänzlich zweckentfremdet, sondern bleibt, zumindest teilweise, der ursprünglichen Bestimmung verpflichtet. Hier spielte sich ein spannendes und wechselvolles Kapitel der schweizerischen Industriegeschichte ab, in dem die deutsche Weltfirma Siemens und die Telekommunikation (Telefonapparate, Radiogeräte) stets eine wesentliche Rolle spielten. Heute ist es im Portfolio der 1999 von mehreren grossen Pensionskassen gegründeten Immobiliengesellschaft Swiss Prime Site (SPS).

Auf ein Jahrhundert ausgelegt

Dass das Areal auch für produzierendes Gewerbe offenbleibt, hat wesentlich mit der teilrevidierten Bau- und Zonenordnung 2014 zu tun, die 2017 in Kraft trat. Sie machte in Bezug auf die Industrie­areale so etwas wie eine Kehrtwende und zielte auf die «Sicherung von Industrie- und Gewerbezonen für das produzierende Gewerbe, wobei der Begriff Indus­trie flexibel verstanden werden muss», wie der «Tages-Anzeiger» damals zusammenfasste.

SPS hat mit dem 2021 eröffneten Yond ein neuartiges Konzept für ein äusserst flexibel nutzbares Gebäude erprobt. Yond weist vier Geschosse mit grossflächigen Glasfronten und durchgehend 5,5 Metern Raumhöhe auf. In dieses Grundraster können mit modularen Elementen aus Holz Räume für unterschiedlichste Nutzungen eingepasst werden, die sich obendrein, im Falle veränderter Ansprüche oder Bedürfnisse, einfach und schnell verändern lassen, zum Beispiel durch das Einfügen eines Zwischenbodens, wodurch sich beispielsweise Lagerfläche oder Büros addieren lassen.

Das Konzept hat auch die Fachwelt überzeugt: Yond erhielt 2020 einen internationalen Architekturpreis und 2021 die «Auszeichnung für gute Bauten der Stadt Zürich» für die Periode 2016–2020. Und offenbar sind die Rückmeldungen aus der Mieterschaft so positiv, dass SPS sich für den weiteren Ausbau von Yond entschieden hat. Mitte März, zwei Wochen nach der Baueingabe, informierte SPS am Vormittag die Medien und am Abend die Quartierbevölkerung über die geplante weitere Transformation des Areals, auf dem rund 1500 Arbeitsplätze entstehen sollen.

  • Überblick über das ehemalige Albis-Areal. In der Mitte rechts der bereits bestehende Bau Yond.01, die Bauten im Vordergrund werden abgebrochen. Bild: Swiss Prime Site (SPS)
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  • Auf dem Arealentwicklungsplan ist zu erkennen, dass das grösste Gebäude Yond.03 direkt gegenüber dem Stadion Utogrund zu stehen kommen wird. Bild: SLIK Architekten
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Frank Heinrich, der Projektleiter von SPS, sprach von einem «intelligenten Hub» mit einer Haltbarkeit der Strukturen von 80 bis 100 Jahren, weil robust gebaut, auf Unnötiges verzichtet und auf eine hohe Transformierbarkeit geachtet werde. Dass so ein Gebäude dann trotzdem aus der Mode geraten kann, wenn der Zeitgeist dereinst in eine ganz andere Richtung zu blasen beginnt, kann aber natürlich nicht ausgeschlossen werden. Der Wille zur Nachhaltigkeit ist aber ­offensichtlich.

Der leitende Architekt des Projekts, Lukas Küng von SLIK Architekten, wies darauf hin, dass das vierte Gebäude erhalten und fit für die Zukunft gemacht werde, weil es sich als solide erwiesen habe. Da der Yond-Campus ans Fernwärmenetz angeschlossen werden wird, kann jedoch die Energiezentrale am Ende des Gebäudes abgebrochen werden, an ihre Stelle tritt ein Terrassengerüst mit Kletterpflanzen – möglicherweise angelehnt an den Oerliker MFO-Park –, das attraktive Aussenräume erzeugt. Laut Küng werden die drei neuen Yond-Gebäude mit einer zusätzlichen Nutzfläche von 30 000 Quadrat­metern Angebote zwischen 150 und 4000 Quadratmetern bereithalten. Das Erdgeschoss im grössten Gebäude Yond.03 ist für produzierendes Gewerbe reserviert.

Ein neues Mikroquartier

Als letzte Rednerin hob Drazenka Dragila Salis, Head Development & Construction von SPS, erneut hervor, dass die Berücksichtigung der Kreislaufwirtschaft ein zentrales Element der Philosophie von SPS sei. In diesem Zusammenhang mutmasste sie, dass die Bedeutung der Bauingenieure in den kommenden Jahrzehnten überall steigen werde, da die Einschätzung der Tragstrukturen von zu renovierenden Gebäuden essenziell sei. Eine sorgfältige Planung gewinne an Bedeutung. Das ziehe zwar höhere Kosten nach sich, sei aber für ein «intelligentes Bauen» unabdingbar.

Die abschliessende Fragerunde führte zum Thema «Verbesserung der Aufenthaltsqualität», laut Dragila Salis ein Kernanliegen der bisherigen Mieterschaft. Es ist somit ein zentraler Punkt des Projekts. Der Campus wird durchlässig sein und viele attraktive, begrünte Aufenthaltsbereiche enthalten, denn alle oberirdischen Parkplätze werden in eine neue Tiefgarage verlegt. Die Erdgeschosse zu den «Gassen» hin sollen durch die Vermietung an Produktionsbetriebe mit Verkauf oder an Gastronomieanbieter zur Belebung des Campus beitragen.

Der frühestmögliche Baubeginn ist in ­ungefähr einem Jahr. Gegen Ende 2027 könnte der Campus fertiggestellt sein. Dann wird die Praxis nicht nur erweisen, ob er die Bedürfnisse des Marktes abdeckt, sondern auch, ob die Quartierbevölkerung das Ihre zu seiner Belebung beiträgt. Wenn man heute die Pläne betrachtet, zweifelt man kaum daran, dass viele gerne das verwinkelte Areal queren werden, weil es mehr Vielfalt und Animation verspricht.

Bevor allerdings das viele geplante Grün die trotz allem etwas monotone Architektur durchbrechen kann, wird noch mancher Sommer ins Land gehen. Und vielleicht wird dann auch jemand herausgefunden haben, was Yond heissen soll.

  • Viel Aufenthaltsqualität für Angestellte und Passantinnen im zukünftigen Gewerbecampus Yond. Bild: Visualisierung SPS
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  • Der Yond-Campus kann für Neo-Lofts genützt werden, in denen sich auch das kreative Gewerbe wohlfühlen dürfte. Bild: Visualisierung SPS
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Tobias Hoffmann