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Kultur
07.06.2024

Auf Spurensuche nach den Ursprüngen beliebter Freizeitsportarten

Tony Duncan, Hoop-Dance-Performance, NONAM
Tony Duncan, Hoop-Dance-Performance, NONAM Bild: Jonathan Labusch
Vom Kajak über Schneeschuhe bis zum Surfboard: Die neue Sonderausstellung «Move. Indigene Kulturen in Bewegung» im Nordamerika Native Museum in Zürich begibt sich auf Spurensuche nach den Ursprüngen bekannter und weniger bekannter Sportarten.

Dominique Rais

Kajaks gleiten lautlos über Flüsse und Seen, Schneeschuhe tragen durch tief verschneite Landschaften, und das Surfboard sorgt in der Meeresbrandung für den ultimativen Kick. Kajak und Co. sind uns so vertraut wie Ski und Velo, und auch Lacrosse wird in der Schweiz zu­nehmend bekannt. Aber woher stammen diese Spiele und Sportgerätschaften denn eigentlich? Und weshalb spielt ­Bewegung in indigenen Kulturen eine derart besondere Rolle? Mit eben diesen Fragen setzt sich die neue Sonderausstellung «Move. Indigene Kulturen in Bewegung», die seit Mai im Nordamerika Native Museum (NONAM) gezeigt wird, auseinander.

«Die Besucherinnen und Besucher erwartet ein Parcours, auf dem sie bekannten Sportgeräten wie Schneeschuhen oder Kajak begegnen, aber auch solchen, von denen sie vermutlich noch nie gehört haben», sagt Heidrun Löb, LeitendeKuratorin des NONAM, auf Anfrage von Lokalinfo.

«Mit ‹Move› würdigen wir geniale indigene Erfindungen, von denen uns einige längst zur Selbstverständlichkeit geworden sind», so Löb weiter. Die Schau ist eine Reise durch bewegte Welten, vom ersten Schritt bis zum höchsten Kick, vom Hoop-Dance bis zur politischen Bewegung. «Wir rufen ihre Geschichten und Ursprünge in Erinnerung, stellen aber auch Geräte und Disziplinen vor, die eher unbekannt sind, zum Beispiel das Robbenhopsen», erklärt die Leitende Kuratorin des NONAM.

«Die Kraft der Bewegung neu entdecken»

Ob sesshaft oder nicht sesshaft, indigene Gemeinschaften waren immer schon in Bewegung. Vom Gehen, Laufen und Schneeschuhlaufen bis hin zum Manö­vrieren von Kanu und Kajak – Bewegung bestimmte den indigenen Alltag. «Bewegung geniesst bei uns einen hohen Stellenwert. In ‹Move› kann man Sport und Bewegung aus verschiedenen, oft neuen Blickwinkeln betrachten und auch die Kraft der Bewegung neu entdecken», so Löb.

Vieles diente der Existenzsicherung, aber das Leben war keineswegs nur ein Überlebenskampf. Spass, Sport und Spiele gehörten ebenso dazu wie der Alltag in der Gemeinschaft, die Jagd, krie­gerische Auseinandersetzungen und das Kultivieren von Gärten. Spiele und Wettkämpfe trainierten Ausdauer, Kraft und Teamgeist und halfen, Techniken zu erlernen, die auch im Alltag dienten.

Auf den Reservaten waren indigene Gemeinschaften zur Sesshaftigkeit gezwungen und auf die Nahrungsmittel­rationen der Regierung angewiesen. Tänze, traditionelle Spiele und Wett­bewerbe, Feste und Zeremonien waren ebenso verboten wie die eigenen Sprachen. Die Geschichte der sportlichen Erfolge indigener Athleten ist bis weit ins 20. und 21. Jahrhundert hinein verwebt mit dem Kampf gegen Rassismus, wie es in einer Mitteilung des NONAM heisst.

Von Ausdauer, Widerstand und Rebellion

Indigene Kunstschaffende, die sich mit sozialen und politischen Themen auseinandersetzen, erzählen in ihren Werken von Ausdauer, Durchhalte­vermögen, Widerstand und Rebellion. Diese Attribute braucht es bis heute, um Ausgrenzung und Rassismus entgegenzutreten und sich Gehör zu verschaffen.

Die Ausstellung ist eine Hommage an die Kraft der Bewegung, die Menschen auf der ganzen Welt verbindet und bereichert. Besucherinnen und Besucher der Sonderausstellung können sich auf persönliche Geschichten, historische Ausstellungsstücke und zeitgenössische Kunstwerke freuen, welche die Vielfalt und Bedeutung von Bewegung in verschiedenen Kulturen und Kontexten verdeutlichen.

Darüber hinaus lädt ein Kajak-­Simu­lator die Besuchenden dazu ein, selbst aktiv zu werden und über die Bedeutung von Bewegung im eigenen Leben nachzudenken. «Wer will, kann testen, ob er oder sie zum Beispiel mit einem Walross mithalten kann», so Löb.

Traditionen mit neuemSelbstbewusstsein leben

Heute tragen Sport und Bewegung auf vielen Ebenen zu Empowerment bei. Skateboarden ist in indigenen Communitys so angesagt wie selten zuvor. Immer mehr Skateparks entstehen dort, wo soziale Probleme wie Gewalt, Suizid, Alkohol und Drogen Teil des Alltags sind. So werden Skateparks für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu Treffpunkten und Zufluchtsorten.

«Sport war und ist sehr wichtig, aber nicht alle haben Zugang dazu. Die kanadische Truth and Reconciliation Commission (TRC) widmet fünf von 94 Handlungsaufrufen dem Sport. Die Kommission hat das schwierige Thema der Internatsschulen oder ‹residential schools› aufgearbeitet, die das Ziel verfolgten, indigene Kulturen auszulöschen. Heute leben ebendiese Kulturen ihre Traditionen wieder mit neuem Selbstbewusstsein», erklärt Löb.

Ob Lacrosse, Powwow, Hand Games, Snow Snake oder arktische Olympiaden, sie alle feiern indigene Kulturen und Traditionen und bringen Menschen und Gemeinschaften zusammen. «Mit Tanzfesten oder Powwows und Sportanlässen wie den North American Indigenous Games oder den Inuit Olympic Games ­feiern sie ihre Gemeinschaften und ihr Überleben. Die Bedeutung von Sport ist enorm. Er ist identitätsstiftender Kulturanlass, Suizidprävention, spirituelles Gebet und noch vieles mehr», sagt Löb.

Weitere Informationen: www.nonam.ch

Dominique Rais