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Lifestyle
10.05.2024
13.05.2024 16:23 Uhr

Zürich durch Igel-Augen sehen

Dank seinem ausgeprägten Geruchssinn und Gehör ist der Igel auf nahezu alle Gefahren vorbereitet – trotzdem kommt er in den Städten in Bedrängnis.
Dank seinem ausgeprägten Geruchssinn und Gehör ist der Igel auf nahezu alle Gefahren vorbereitet – trotzdem kommt er in den Städten in Bedrängnis. Bild: Bernadette Schöffel/wildenachbarn.ch
Der Igel steht in der Stadt zunehmend unter Druck. Schon kleine Hindernisse können ihm zum Verhängnis werden. Der Verein «StadtNatur» will mit der Bevölkerung die Igelpopulation messen und seine Lebensbedingungen verbessern.

Dennis Baumann

Er ist ein wahrer Überlebenskünstler. Dank seinem ausgeprägten Geruchssinn und Gehör ist er auf nahezu alle Gefahren vorbereitet und im Notfall rollt er sich mit seinem stacheligen Rücken ein. Trotzdem kommt der Igel im Siedlungsraum in Bedrängnis. Seine Population ist um 40 Prozent gesunken und variiert nach Stadtgebiet, wie der Verein «StadtNatur» in einer Erhebung im Jahr 2016 zeigte. Die Messung zählte zwischen 800 und 1500 Tiere.

Heute, acht Jahre später, will der Verein im Rahmen der Aktion «Igel gesucht» die Igelpopulation erneut messen und herausfinden, in welchen Stadtgebieten der Igel öfters vorkommt. Dabei ist der Verein auf die Hilfe der Bevölkerung angewiesen. Über Beobachtungsmeldungen und das Aufbauen von Spurentunneln kann jede Person bei der Erhebung mithelfen.

Den Spuren des Igels folgen

«Wir möchten die Igelpopulation systematisch erfassen. Die Aktion ist ein wissenschaftliches Projekt», sagt Mathujah Manikkan, Umweltwissenschafterin von «StadtNatur». Der Verein übernimmt dabei die Rolle einer Koordinationsstelle. Für die Erhebung vor Ort sind freiwillige Helferinnen und Helfer zuständig.

Eine systematische Messmethode ist das Aufstellen von sogenannten Spurentunneln. Dabei handelt es sich um Kartontunnel, die mit Papier, Farbe und ­einem Köder präpariert sind, sodass ein Igel beim Durchlaufen Fussspuren hinterlässt. Der Verein stellt das Material zur Verfügung und steht beratend zur Seite. «Die Spurentunnel platziert man am besten in Grünanlagen entlang von Linienstrukturen, etwa neben einem Busch auf einer Wiese», sagt Manikkan.

Rund 44 freiwillige Helferinnen und Helfer nehmen zurzeit an der Aktion teil. Sie sind für den Auf- und Abbau wie auch für die Kontrolle der Spurentunnel selbstständig verantwortlich. Eingetragen werden die erfassten Igel auf einer Karte, die nach Quadratkilometer auf 58 Felder aufgeteilt wurde. «Pro Quadratkilometer lassen wir je zehn Spurentunnel sechs Tage lang stehen. Dadurch können wir uns ein genaueres Bild verschaffen», erklärt Manikkan.

Trottoire können Todesfallen sein

Lange gehörte die Stadt nicht zum Einzugsgebiet des Igels. Wohl fühlte er sich auf Landwirtschaftsflächen, die strukturreich waren, also über viel Nahrung und Verstecke verfügten. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft nahmen jene Strukturen ab und seither ist der Igel auch in der Stadt anzutreffen.

Dort trifft er auf zahlreiche Hindernisse, die man sich als Mensch kaum bewusst sei, so die Expertin: «Die häufigste Todesursache ist der Autoverkehr. Die Geschwindigkeit der meisten Autos ist zu hoch, als dass der Igel rechtzeitig reagieren kann.» Dabei kann nur schon eine zu hohe Bordsteinkante dem Igel zum Verhängnis werden. «In der Stadt gibt es viele Erhöhungen, die der Igel nicht überwinden kann», so Manikkan.

Wer keine Zeit hat, um Spurentunnel abzuholen und aufzustellen, kann trotzdem mithelfen und einen Beitrag leisten, um die Igelpopulation zu erfassen. Auf der Website von «StadtWildtiere» darf jede Person die Sichtung eines Igels oder eines anderen Wildtiers melden und auf der Karte eintragen. «Beobachtungsmeldungen sind eine wichtige Ergänzung, da sie über das ganze Jahr hinweg stattfinden», sagt die Umweltwissenschafterin.

In Sachen Infrastruktur könne man ebenfalls mitanpacken. Wer über einen Garten verfügt, kann Asthaufen aufbauen, die dem Igel als Versteck dienen. Weitere Möglichkeiten sind Wasserstellen und der Verzicht auf nichteinheimische Pflanzen und Pestizide. Manikkan: «Die Stadt ist für Menschen gemacht, aber auch Tiere haben ein Recht, hier zu leben.»

Igel gesichtet? Beobachtung melden unter: zuerich.stadtwildtiere.ch/melden

  • «Wir möchten die Igelpopulation systematisch erfassen. Die Aktion ist ein wissenschaftliches Projekt», sagt Umweltwissenschafterin Mathujah Manikkan. Bild: Dennis Baumann
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  • Keine Chance: Dieser Randstein ist für Igel schon ein unüberwindbares Hindernis. Bild: Dennis Baumann
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  • Mit dem Aufbauen von sogenannten Spurentunneln kann jede Person bei der Erhebung mithelfen. Bild: Dennis Baumann
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Dennis Baumann/Zürich24
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