Momentan findet die Diskussion um das 4,5 Millionen schwere Finanzloch des Kunsthauses in zwei Parallelwelten statt. Einerseits der Versuch in den Medien, die gemachten Planungsfehler zu ergründen und andererseits die Zeichen des Kunsthaus-Managements, die eher auf angeblich unfähige Vorgänger zielen und höhere Subventionen fordern. Dazu passt, dass die Generalversammlung der Kunstgesellschaft ohne nennenswertes Aufbegehren stattfand. Davon zumindest ist in der Medienmitteilung nicht die Rede. Im Gegenteil, wenn darin steht, dass die «Mitglieder den Jahresbericht und die Jahresrechnung 2023 mit überwältigender Mehrheit verabschiedet» haben, scheint alles bestens. Denn: Laut der Mitteilung «wurden die Defizite erklärt und Zukunftspläne skizziert».
Doch der Reihe nach: In ihrem Amt bestätigt wurden Vorstandsmitglied Dr. Ben Weinberg sowie die Revisionsstelle PricewaterhouseCoopers. Darüber hinaus wurden folgende Mutationen im Vorstand bekanntgegeben: Seraina Rohrer übernimmt das Amt von Dr. Madeleine Herzog als Delegierte des Kantons. Die Kunstfreunde Zürich werden neu durch ihre Präsidentin Gitti Hug vertreten, sie folgt auf Franz Albers. Als Vertreterin des Personals wurde Eléonore Bernard bestätigt, die Jakob Diethelm ersetzt.
Sinkende Eintritte und Mitgliederzahlen
Mit mehr als einer halben Million Eintritten (504'349, Vorjahr: 555'529) ist das Kunsthaus Zürich erneut das meistbesuchte Kunstmuseum der Schweiz. Darin berücksichtigt sind rund 340’000 zahlende Besucherinnen und Besucher und 150’000 Gratiseintritte, inklusive 70'000 kostenfreie Besuche am Mittwoch. Die drei erfolgreichsten Ausstellungen 2023 waren «Giacometti – Dalí», «Re-Orientations» und «Käthe Kollwitz / Mona Hatoum». Auch die am 3. November eröffnete Neukuratierung der Sammlung Bührle zog im vergangenen Jahr bereits knapp 23’000 Besuchende an. Der Trägerverein des Kunsthauses ist laut Mitteilung mit 24’820 Mitgliedern nach wie vor der grösste Europas (Vorjahr 25'797, also ein Minus von gut 1000 Leuten).
Mehr Kosten wegen Erweiterung
Das Betriebsergebnis, welches bereits seit einigen Jahren negativ ausgefallen war, verschlechterte sich erneut. Der Verlust, der sich seit 2020 manifestiert, beläuft sich auf CHF –1’585'979 (Vorjahr CHF –1’410'285). Die Einnahmen in Höhe von CHF 28'607’985 fielen 2023 mit CHF 108'000 um 0.4 % und lagen somit fast auf Vorjahresniveau. Trotz deutlich mehr Projekten und der neuen Ausstellung der Bührle-Sammlung stiegen die Ausstellungskosten lediglich um 4.9 % (plus CHF 192'000). Die Betriebskosten fielen leicht höher aus als im Vorjahr (plus CHF 583'000). Der Verlust ist primär strukturell bedingt und eine Folge der Erweiterung. 2021 hat sich die Ausstellungsfläche des Kunsthauses mit dem Chipperfield-Bau fast verdoppelt. Das hat zu einem erhöhten und höher als prognostizierten Personalaufwand im Bereich Besucherservice und Sicherheit geführt und höhere Fix- und Nebenkosten verursacht. Das Kunsthaus war nicht ausreichend auf die Konsequenzen der Erweiterung und die neue Realität eines doppelt so grossen Hauses vorbereitet.
Sponsoring soll ausgebaut werden
Zu Beginn des Berichtsjahres 2023 stellten der Präsident und die Direktorin die neue Provenienzforschungsstrategie des Kunsthauses vor, die von einem verstärkten Team unter Leitung von Dr. Joachim Sieber umgesetzt wird. Das Kunsthaus Zürich hat sein Engagement im Bereich Fundraising intensiviert und arbeitet aktiv an einer neuen Positionierungsstrategie. Die Auswirkungen der Erweiterung auf die Organisation und Finanzen wurden im Detail analysiert, weitere Massnahmen sind in Vorbereitung.
Man arbeitet an der «Öffnung»
Die Sammlungsreihe «ReCollect!» gab Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit, ihre Sicht auf die Sammlung des Kunsthauses darzustellen und eigene Werke in Dialog mit der Sammlung zu stellen. «Das Alte und Vertraute», so sagt Direktorin Ann Demeester, «wurde überraschend und abenteuerlich».
Mit dem Pop-Up-Projekt «KunstXausZürich» verband sich das Kunsthaus mit der jungen, innovativen Energie der eigenen Stadt.
Ein interdisziplinär zusammengesetztes Kernteam kuratierte mit grossem Erfolg die neue Ausstellung der Sammlung Bührle. «Eine Zukunft für die Vergangenheit. Sammlung Bührle» stellt die Sammlung in ihren historischen Entstehungskontext und rückt die Biografien der ursprünglichen Eigentümerinnen und Eigentümer in den Fokus. Mit zahlreichen Interaktionsmöglichkeiten belebt das Kunsthaus die kritische Debatte zum Umgang mit der Sammlung.
Die Worte des Präsidenten
Der Präsident der Zürcher Kunstgesellschaft, Dr. Philipp M. Hildebrand, dankte den 272 anwesenden Mitgliedern für ihr Vertrauen. Er betonte, dass er an dem Prinzip der Public-Private Partnerschaft des Kunsthauses festhalten wolle. Stellvertretend für den Vorstand und die Direktion erklärte er: «Die grossen finanziellen Herausforderungen, die vor uns liegen, werden uns auch in den kommenden Jahren viel abverlangen. In Verbindung mit einer neuen Dynamik in Programm und Image wollen wir uns ihnen mit Zuversicht stellen und sie aktiv angehen». Konkret will man um mehr Subventionen nachfragen, die Öffnungszeiten überdenken sowie allenfalls gar Räumlichkeiten schliessen.
Was laut einem Kommentar von Peter Rothenbühler in der «Weltwoche» dazukommt: Das neue Management des Kunsthauses hat es nicht geschafft, in die Herzen der Zürcherinnen und Zürcher vorzudringen. Und schon gar nicht, beim Establishment Geld locker zu machen. «Und jetzt sollen wir, die einfachen Leute, zur Kasse gebeten werden? Das können Sie vergessen», so Rothenbühler, immerhin jahrelang Chefredaktor der «Schweizer Illustrierten».