Home Region Sport Magazin Schweiz/Ausland
Kultur
11.06.2024
11.06.2024 21:17 Uhr

Was tut eine Tonhalle-Musikerin im Quartiertreff?

Ursula Sarnthein im Quartiertreff Hirslanden. Hier an der Forchstrasse 248 finden künftig die «Sofakonzerte» statt.
Ursula Sarnthein im Quartiertreff Hirslanden. Hier an der Forchstrasse 248 finden künftig die «Sofakonzerte» statt. Bild: Lorenz Steinmann/Zürich24
Ursula Sarnthein spielt im renommierten Tonhalle-Orchester Bratsche. Nun erfüllt sie sich einen lang gehegten Traum und organisiert «Sofakonzerte» im Quartier. Am 30. Juni ist die Premiere im Quartiertreff Hirslanden. Hier spricht sie über ihr Leben als Berufsmusikerin und über ihr erstes Vorspielen.

Pünktlich um 14.59 Uhr saust sie mit dem Velo zum vereinbarten Ort, dem Quartiertreff Hirslanden. Strahlend und mit dem Geigenkasten auf dem Rücken. «Als Musikerin ist man immer pünktlich», sagt ­Ursula Sarnthein und lacht. Und ja, im Tonhalleorchester kann man eine Busse wegen Verspätung bekommen, aber sie habe bis jetzt noch nie eine zahlen müssen. Dabei ist Sarnthein schon seit 26 Jahren Mitglied im renommierten Orchester. «Genau mein halbes Leben», so die 52‑Jährige. Sie wohnt mit ihrer Familie seit 18 Jahren in Hirslanden. «Das ideale Quartier für uns», sagt die gebürtige Kölnerin. Sie studierte dort Violine und bewarb sich schon mit 26 Jahren beim Tonhalle-Orchester. Das Prozedere sei sehr anstrengend gewesen.

«Es war mein erstes Probespiel überhaupt.» Ausgewählt aus gut 200 Bewerbungen, spielten etwa 20 Kandidierende nacheinander die gleichen Stücke vor, Violinkonzerte, aber auch kurze Ausschnitte aus Orchesterstücken, «jeweils die eigene, in meinem Fall also die 2. Violinstimme». Es gab drei Runden, neben den Orchestermitgliedern war auch der damalige – weltberühmte – Chefdirigent David Zinman dabei. Er leitete das Orchester von 1995 bis 2014 und führte das Ensemble zu ­Weltruhm. Offensichtlich überzeugte ­Sarnthein die zukünftigen Kollegen/-innen und den gebürtigen New Yorker. Nach den drei Runden mit extremer Selektion – nur zwei wurden genommen – hiess es Ja zu Ursula Sarnthein. Noch heute ist es der Traumjob für Sarnthein. «Dank dem Orchester-Renommee und unserem hier seit fünf Jahren tätigen Dirigenten Paavo Järvi werden wir in viele berühmte internationale Konzertsäle eingeladen, das macht mir besonders viel Freude.»

Doch zurück zu Sarntheins stetem Berufsengagement. Sie hat sich nach 5 Jahren im Orchester in die Bratsche, also das leicht grössere Schwesterinstrument der Violine, verliebt. Sie machte ein Konzertdiplom für Bratsche an der ZHdK und ein weiteres Probespiel – und spielt seit 2003 mit Begeisterung Bratsche im Tonhalle-Orchester. Zu den Proben und Aufführungen in der Tonhalle kommt noch das Üben zu Hause. «In der ersten Probe muss man alles schon können», so lautet gemäss Sarnthein die eiserne Regel. Ist ihr ein Werk nicht bekannt, hört sie es zuerst einmal an, bevor sie die schwierigen Stellen übt. Manchmal spielt sie zum Üben auch ihren Part zu Hause mit der Aufnahme mit. Dabei bleibt für dieses Üben gar nicht mal so viel Zeit. Denn jede Woche wird ein neues Programm einstudiert. Jeweils am Montag und Dienstag gibt es dazu je zwei Proben, am Mittwoch noch eine – die Generalprobe, wo alles wie im Konzert 1:1 durchgespielt wird, bevor von Mittwoch bis Freitag die Konzerte folgen. Manchmal gibt es auch Kurzkonzerte am Mittag (Lunchkonzerte) oder am Abend (Tonhalle-Crush).

Sie strotzt vor Energie

Eine geballte Ladung also. Aber Ursula Sarnthein strotz nur so vor Energie. Sie ist zusätzlich noch im Orchestervorstand und amtet als Personalvertreterin im ­Verwaltungsrat (wo übrigens alt Stadtrat Martin Vollenwyder den Vorsitz hat).
Und nun verwirklicht sie sich noch einen schon lang gehegten Traum: eine Konzertreihe im Quartier! Sie nennt sie «Das Musiksofa» und will damit Menschen ansprechen, die lockere Stimmung und echten Kontakt zu den Künstlerinnen und Künstlern schätzen. Und ja, auch solche Menschen, die noch wenig Zugang zur klassischen Musik haben. Tatsächlich ist dieser Graben wieder ein bisschen grösser geworden, seitdem das Tonhalle-Orchester wieder in der angestammten Tonhalle und nicht mehr im hippen Bauprovisorium auf dem Maag-Areal Konzerte gibt.

Zusammen mit Emanuele Forni

Am Sonntag, dem 30. Juni, tritt Ursula Sarnthein mit dem vielseitigen Gitarristen Emanuele Forni auf, der auch im ­Tonhalle-Orchester als Zuzüger mitspielt, wenn es eine Gitarre oder ein anderes Zupfinstrument braucht. «Folk und Barock» heisst das Programm, Sarnthein spielt hier Violine, Forni Laute und Barockgitarre. «Beim skandinavischen Folk kann man eigentlich nicht still sitzen bleiben und bei der alten Barockmusik staunt man, wie lebendig sie klingt, obwohl sie schon ein paar Jahrhunderte alt ist», betont Sarnthein.
Vor dem Konzert kann man ab 10 Uhr zmörgele. Quartiertreff-Leiter Alberto ­Cirigliano war sofort Feuer und Flamme, als Sarnthein ihn um eine Zusammenarbeit anfragte. So bleibt, allen Leserinnen und Lesern diese neue Form von Quartierkonzert ans Herz zu legen. Dank eventfrog.ch sind Tickets einfach im Vorverkauf zu erstehen.

Details zum Konzert und Tickets: ursulasarnthein.ch

Lorenz Steinmann/Zürich24