Majken Grimm
$Wer in Affoltern spazieren geht, kommt mitunter an einem doppelt umzäunten Feld vorbei. Es wird mit Kameras überwacht, ein Wachmann ist mit Dobermann unterwegs. «Protected Site» steht auf einem Schild am Tor, «Versuchsstandort für gentechnisch veränderte Pflanzen». Das Feld gehört Agroscope, der Forschungsanstalt für Landwirtschaft des Bundes. Hier wird untersucht, wie sich Pflanzen, deren Erbgut mit neuen Züchtungstechnologien verändert wurde, draussen im Feld entwickeln.
Neue Methode der Gentechnik
Aktuell wächst auf dem Feld Gerste. Die Forschenden testen, ob der Ertrag durch neue gentechnische Verfahren – konkret jenes mit dem Namen CRISPR/Cas9 – gesteigert werden kann. Zum ersten Mal in der Schweiz erfolgt damit ein Feldversuch. Zu herkömmlichen gentechnischen Methoden gibt es einen entscheidenden Unterschied: CRISPR/Cas9 kann sehr gezielt eingesetzt werden. Dadurch seien kaum Nebenwirkungen zu erwarten, sind die Forschenden überzeugt. Die Forschenden haben zwei bestimmte Gene deaktiviert, von denen sie wissen, dass diese die Bildung von Samen bei Pflanzen einschränken können. Anders als bei manchen anderen Versuchen mit Gentechnik haben sie dabei kein fremdes Erbgut eingefügt.
Dank Gentechnik mehr Körner?
«Es ist eine Veränderung, die auch auf natürliche Weise entstehen kann», sagt Thomas Schmülling von der Freien Universität Berlin, welcher den Versuch gemeinsam mit Agroscope durchführt. Die Forschenden überprüfen, ob die gentechnisch veränderte Gerste mehr Körner produziert als die Ursprungsform, welche sie zum Vergleich ebenfalls gepflanzt haben. «Schon fünf bis zehn Prozent mehr Ertrag wäre ein sehr gutes Ergebnis», kommentiert Schmülling. Dann könnte man nach diesem Vorbild auch versuchen, den Ertrag von Weizen zu steigern.
Netze gegen Vögel, Zäune gegen Menschen
«Es ist etwas Besonderes, Gene zu finden, welche den Ertrag beeinflussen», sagt Schmülling. Die Forschung beschäftigt sich häufiger mit Resistenzen gegen Krankheiten wie die Kartoffelfäule. Damit die Körner nicht ungewollt verbreitet werden, spannen die Forschenden ein Netz auf, das Vögel fernhalten soll. Zu anderen Gerstenfeldern gibt es einen Sicherheitsabstand von mindestens 60 Metern. Die Zäune dagegen sind nicht da, um die Pflanzen und ihre Samen im Feld zu halten. Stattdessen sollen sie sie vor dem Menschen schützen. Der Bund finanziert die «Protected Site», also die Gebietssicherung, weil Vandalen frühere Versuche mit Gentechnik zerstörten. Seit zehn Jahren besteht das Feld nun. «Die ‹Protected Site› erlaubt, die Versuche ungestört durchzuführen», sagt Samuel Wüst von Agroscope.
In der Politik diskutiert
In der Gentechnik sehen die Forschenden grosses Potenzial. «Sie wird nicht alles umkrempeln, aber man kann damit gewisse Probleme angehen, besonders im Bereich Pflanzenschutz vor Schadorganismen», sagt Wüst. Schmülling ergänzt: «Mit der Gentechnik hat man ein Werkzeug in der Hand, um das präziser und schneller tun zu können.»
Ob die Produkte irgendwann in den Regalen der Schweizer Supermärkte auftauchen, ist noch unklar. Aktuell ist der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ausschliesslich zu Forschungszwecken erlaubt. Ende 2025 läuft das Moratorium jedoch aus. Möglich ist, dass das Gesetz in Zukunft zwischen verschiedenen Techniken unterscheidet und kleinere, gezielte Eingriffe wie denjenigen von Agroscope erlaubt. Der Bundesrat orientiert sich hierbei auch an der EU: Deren Parlament will die bestehenden Regelungen ebenfalls lockern.
Entscheidend ist jedoch auch die Akzeptanz in der Bevölkerung. Eine Petition, welche am 27. Juni eingereicht wurde, fordert die Verlängerung des nationalen Moratoriums. Die Urheber setzen sich zudem für eine Kennzeichnungspflicht ein. Laut den Forschenden von Agroscope könnte diese jedoch schwierig umzusetzen sein: Auch mit Gentests liesse sich nicht eindeutig nachweisen, ob die Gerstenvariante auf natürliche Weise entstanden ist oder durch Gentechnik.