Tobias Hoffmann
Wahrscheinlich sind Sie zusammengezuckt, als Sie oben das Wort «Eisdielen» gelesen haben. Hierzulande schleckt man ja kein Eis, sondern ein Glace, denkt aber im Grund an Gelato und Italien, an Sonne und Strand. Kein Zufall, dass sich der zurzeit angesagteste Glaceladen der Stadt, geboren an den sonnigen Gestaden der Aare in unserer Bundeshauptstadt, Gelateria di Berna nennt und nun bereits mit mehreren Filialen in Zürich präsent ist.
Eine gute italienische Gelateria, das wissen die vielen Schweizerinnen und Schweizer, die durch Sommerferien an italienischen Badestränden sozialisiert wurden, bietet «gelato artigianale» an, hausgemachtes Gelato, das weder zu süss noch zu rahmig ist und in der Regel natürliche und intensive Frucht- und Nussaromen entfaltet.
Jahrzehnte mit Industrieglace
Die Schweizer Glacekultur hingegen war jahrzehntelang durch die industrielle Glace von Frisco und Lusso oder wie sie alle heissen und dann durch die rahmgeschwängerte und amerikanisch angehauchte Glace von Mövenpicks Gnaden geprägt. Der absolute Renner für die Zürcher Stadtjugend waren früher aber die Coupes im Café Stoller am Albisriederplatz, der damals für viele bereits im Kanton Aargau zu liegen schien.
Der schweizerische Aromengeiz
Nun also der Kulturwandel: Gelato auf italienische Art bekommt man mittlerweile an vielen Orten, und nicht nur entlang der Flaniermeilen am Zürichsee und in der Alt- und Innenstadt. Wobei es nach wie vor schweizerische Besonderheiten gibt. Das Portionieren mit einer Art Spachtel und darauffolgende Abstreichen am Becher oder Cornet, wie es in Italien üblich ist, kommt hierzulande selten vor. Immer noch dominiert die Kugel, und wenn man Pech hat, gibts in der niedersten Preiskategorie nur ein Aroma – was für eine Unsitte!
Wo überall aber kommt man zum sommerlichen Schleckgenuss? Um das herauszufinden, sind drei Redaktoren dieser Zeitung ausgeschwärmt, und zwar vorzugsweise in die Quartiere, auf der Suche nach unbekannten Quellen des Gefrorenen. Und sie haben feststellen müssen, dass es in dieser Stadt doch noch einige eisfreie – pardon: glacefreie Wüsten gibt. Ist es ein Zufall, dass sie fast alle im Norden liegen?