Es begann mit einer Brieffreundschaft: Während seiner Schulzeit schrieb Patrice Meister mit einer Bewohnerin der DDR. Interessiert an Geschichte und Politik, wollte der gebürtige Solothurner wissen, wie es sich im sozialistisch geprägten Staat lebte. Persönlich treffen konnte er seine Brieffreundin aber erst nach dem Fall der Berliner Mauer. Dort angekommen, wurde er auf die Trabants aufmerksam. Oder Trabis, wie sie liebevoll genannt werden.
Es war ein Auto, das er in der Schweiz nie gesehen hatte. «Es hat mir gefallen, weil es so klein ist und aussieht wie ein Gartenhäuschen auf Rädern», erzählt der Klotener. «Es ist laut, riecht und ist etwas Spezielles.»
Die Freundschaft verlief mit den Jahren im Sand, doch die Liebe zum Trabant blieb. Bei einem Besuch bei seinen Eltern entdeckte Meister einen solchen am Strassenrand. Der Besitzer hatte ihn als Blickfang für ein neues Restaurant verwenden wollen, doch aus den Plänen wurde nichts. Kurzerhand kaufte Meister ihm den Wagen ab. Das war 2003, ein Jahr nachdem der Trabantclub Schweiz gegründet worden war.
Karosserie aus Plastik
Wenn man heute die Wohnung von Patrice Meister in Kloten betritt, fallen die Vitrinen voller Modellautos auf. In der Ecke steht eine grosse Fahne der DDR. «Bei einem Trabant-Treffen eine Fahne aufzuhängen, gehört dazu», sagt der 60-Jährige. Verherrlichen möchte er die DDR aber nicht: «Ich bin mir dessen bewusst, dass es sich um eine Diktatur gehandelt hat. Ich würde mir das nicht zurückwünschen. Aber es ist ein Teil der Geschichte Europas.»
An der Strasse steht Meisters grauer Trabant 601 mit Jahrgang 1975. Durch sein charakteristisches Aussehen sticht der Kleinwagen unter den anderen heraus. Dazu tragen auch die zahlreichen Hinweise auf die DDR bei, wie ein Fussball-Outfit im Kleinformat an der hinteren Seitenscheibe.
Vor jeder Autofahrt kontrolliert Meister die Füllung des Benzintanks. Im Trabant gibt es keine Anzeige dafür. Also öffnet Meister die Motorhaube, unter welcher sich der Tank befindet, und benutzt einen Messstab. Das Benzin muss er mit Öl mischen, damit der Motor nicht kaputtgeht. Im Kofferraum bewahrt er Kanister der Benzin-Öl-Mischung auf.
Ein Unterschied des Trabants zu anderen Automodellen ist das Material der Karosserieverkleidung, wie Meister erklärt. Durch die Mangelwirtschaft in der DDR war Stahl knapp. Daher wählte der Hersteller Sachsenring Automobilwerke Zwickau mit Fabrik in Sachsen stattdessen den Kunststoff Duroplast, eine Mischung aus Phenolharz und Baumwolle. «Wenn man irgendwo reinfährt, gibt es keine Beule, sondern ein Loch», sagt Meister.
Verglichen mit heutigen Autos, lässt sich der Trabant aber gut selbst reparieren. Zumindest, wenn man die nötigen Kenntnisse hat. «Ich bin kein Automechaniker, sondern ein Büromensch», sagt der kaufmännische Angestellte. Stehen Reparaturen an seinem Trabant an, profitiert Meister vom Know-how des Trabantclubs. Darüber, dass die Ersatzteile ausgehen könnten, macht er sich keine Sorgen. «In der Mangelwirtschaft der DDR hat man viel gehamstert. Auch heute noch bekommen wir E-Mails von Leuten, die im Dachboden oder im Keller Dinge finden, die zum Teil noch originalverpackt sind.»
Grosses Treffen steht an
Seit fünf Jahren ist Patrice Meister nun Präsident des Trabantclubs Schweiz. Der Club zählt inzwischen 96 Mitglieder. Vom Handwerker bis zum ehemaligen Nationalrat ist alles vertreten. Nicht alle haben die Zeit der DDR selbst miterlebt. Das jüngste Mitglied darf selbst noch nicht Auto fahren. «Es ist eine gute Mischung aus Leuten, die nicht nur Motoren im Kopf haben», sagt Meister. Alle vereint die Freude am Trabant.
Gemeinsam mit vier weiteren Vorstandsmitgliedern organisiert Meister Ausfahrten in Graubünden oder der Westschweiz und berichtet im Clubmagazin «Kennzeichen DDR» über Neuigkeiten. Manchmal besuchen die Clubmitglieder Trabant-Treffen in Deutschland. So sind sie etwa zum Jubiläum des Mauerfalls in Berlin gewesen und unterhalten gute Beziehungen zum Club in Weimar und zum Trabi Team Thüringen Weimar Land e. V. Längere Fahrten in dem engen Kleinwagen ohne Klimaanlage teilen sie sich auf mehrere Tage auf oder laden die Autos auf einen Transporter.
Alle fünf Jahre organisiert der Club ein grosses internationales Treffen von Trabant-Liebhabern in der Schweiz. Von 23. bis 25. August ist es wieder so weit. Dann versammeln sich Mitglieder und Interessierte in Hüntwangen. «Wir erwarten sicher 300 Autos», sagt Meister. «Viele kommen mit Zelt oder Wohnwagen aus Deutschland. Es wird eine grosse Sache.»