Jeannette Gerber
Der Volksmund sagt: «Handwerk hat goldenen Boden.» In diesem Fall jedoch eher einen goldenen Rahmen. Christoph Flückiger ist stolz auf sein Handwerk als gelernter Schreiner – zu Recht. Eltern, die ihre Sprösslinge unbedingt zu einer akademische Laufbahn zwingen wollen, sollten sich ein Beispiel nehmen.
Als Betriebsschreiner bei der Zürich Versicherung absolvierte er im Fernstudium zusätzlich Innenarchitektur an der Neuen Kunstschule Zürich. Begonnen hat seine Selbstständigkeit als Schreiner in einer 150-Quadratmeter-Werkstatt im 1. Stock im Kreis 4, wo er Möbel nach eigenem Entwurf hergestellt hat: vom Stuhl über den Tisch und das Bett bis hin zur Wohnwand. «Selbst das Ehebett meiner Eltern habe ich gezimmert», so Flückiger. Es zeigte sich natürlich bald, dass eine Schreinerei im 1. Stock alles andere als ideal war.
1983 – also vor 41 Jahren – gründete Flückiger die Studio Arte AG und fand dank seinem Freund Ueli Frischknecht 1994 die heutigen Lokalitäten mit 600 Quadratmetern Raum am Stauffacherquai, mitten in Zürich. Vorerst konnte er den hinteren Teil an ein kleines Möbelgeschäft untervermieten. «Mit Restauratoren konnte ich mein Wissen über Technik und Material erweitern und erlernen, wie Rahmen richtig geht», erzählte er. «Mein erster Auftrag war die Reparatur einer Victor-Vasarely-Lithografie. Da entdeckte ich zum ersten Mal das fantastische Gefühl, mit der Kunst zusammenzukommen. Ein erhebendes Empfinden, wenn so ein Wert vor einem auf dem Tisch liegt.»
«Um Kunst zu präsentieren, wird sie mit einem passenden Rahmen eingefasst – gewissermassen mit einem harmonischen Abschluss versehen», kommt Flückiger ins Philosophieren. «Ein Bilderrahmen kann ein Bild prägen, wenn nicht sogar beeinflussen», fährt er fort.
«Im Laufe der Zeit hatte ich die Möglichkeit, für namhafte Museen, Galerien und Sammlungen Rahmungen in allen möglichen Grössen anzufertigen. Wir produzierten grossformatige Rahmen von bis 3 × 5 Metern mit hohen Qualitätsansprüchen. Für mich galt von da an das Motto ‹Nichts ist unmöglich›», sagt der Unternehmer. So sind Studio Artes Erzeugnisse beispielsweise für Künstler und Galeristen der Art Basel einfach unverzichtbar.
Die Spezialanfertigungen benötigten auch adäquate Maschinen. Um diese nach Mass anfertigen zu lassen, reiste er nach New York, Bologna und Stuttgart. «Ich wurde zum richtigen Maschinen-Freak», so Flückiger. «Gleichzeitig erforderten die Spezialmaschinen enorme Investitionen», fährt er fort. Doch der Maschinenpark sei seine grosse Leidenschaft, sein ganzer Stolz.
«Die Passepartout-Maschine ist das Highlight. In dieser Form gibt es welt-weit nur drei – in New York, London und Zürich. Auch die Glasschneidemaschine ist in dieser Grösse einzigartig», führt Flückiger weiter aus. Er habe sie in Italien anfertigen lassen.
Durch den Betrieb geführt
Um seine Schilderungen zu illustrieren, lässt Flückiger es sich nicht nehmen, diese Zeitung durch den Betrieb zu führen. Zuerst stellt er im Eingangsbereich die ungefähr 800 Rahmenprofile aus verschiedenen Materialien, Oberflächenstrukturen, Lackierungen und Lasuren vor. Dann führt er das faszinierende Prozedere an der Passepartout-Maschine vor. Am Computer werden die Festigkeit des Kartons und der Zuschnitt programmiert, und schliesslich braucht es nur noch einen Knopfdruck. Sehr beeindruckend ist auch die Grösse der massgeschneiderten Glasschneidemaschine. Weiter geht es zur Kaschiermaschine, die Prints auf einen x-beliebigen Untergrund presst, wie zum Beispiel auf Metall.
«Antonio Faustino ist seit 26 Jahren als Rahmenschreiner mit an Bord, und Evelyn Stalder-Fassbind ist sogar seit 30 Jahren unsere Vergolderin. Vergolden ist übrigens das älteste Kunsthandwerk überhaupt, und die Methode ist seit 3000 Jahren unverändert. Leider ist dieses Metier vom Aussterben bedroht», erklärt Flückiger. Stalder führt vor, wie man die 12-karätigen Weissgold-Blättchen und die 18-karätigen Gelbgold-Blättchen mit dem Pinsel aufträgt. Heute findet Vergolden hauptsächlich in der Restaurierung Anwendung. Schliesslich demonstriert Adam Szwach, Abteilungsleiter Oberfläche, in der Spritzerei, wie monochrome und farblich variierende Oberflächenlasuren realisiert werden.
Zum Schluss präsentiert Flückiger ein Kunstwerk des Schweizer Fotografen und Malers Hannes Schmid. Schmid war der Kreateur der berühmten Cowboy-Fotos für die Werbekampagne «Marlboro-Man». Er erlangte weltweit Berühmtheit als Reisereporter, als Modefotograf sowie für seine Porträtaufnahmen von prominenten Musikern, Filmstars und anderen Künstlern. Später begann er die Fotos des «Marlboro-Man» im Fotorealismus zu malen – ohne Zigarette. Viele dieser Gemälde sind heute in namhaften Museen auf der ganzen Welt ausgestellt, und eines davon steht momentan im Studio Arte und wartet auf den passenden Rahmen.
Normalerweise sei für Flückiger, was seine Kundschaft betrifft, absolute Diskretion ein Gebot. Hier könne er aber eine Ausnahme machen. «Hannes Schmid ist ein Freund. Zu Beginn seiner Laufbahn kam er, um ein paar Werke rahmen zu lassen. Er wies mich darauf hin, dass er jedoch momentan nicht flüssig sei. Worauf ich ihm anbot, er könne bezahlen, wenn er zu Geld kommen sollte. Was nicht lange auf sich warten liess.»
Nachfolger gesucht
Nun, nach über 40 Jahren, hat Christoph Flückiger entschieden, sein Lebenswerk weiterzugeben. Er will den Betrieb verkaufen und sich fortan ganz seiner Frau Beatrice, seinem Hund und seinen zwei Harley-Davidsons (eine Harley Electra Glide und eine Harley Road King) widmen. Übrigens habe seine Frau 30 Jahre lang «das Büro geschmissen», wie er sich ausdrückt. Sicher hat der Umstand, dass das Gebäude am Stauffacherquai renoviert wird, zum Entschluss beigetragen. Er sucht jedenfalls bereits Räume für seinen aussergewöhnlichen Betrieb mit dem spektakulären Maschinenpark.
Ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin wird also gesucht für den lukrativen Betrieb Studio Arte AG mit Maschinenpark auf 600 Quadratmetern Fläche, wo alle Arbeiten zur Rahmenherstellung unter einem Dach vereint sind und dadurch effizient und schnell gearbeitet werden kann.
Interessierte müssen folgende Voraussetzungen mitbringen: Freude an Kunst und Kunsthandwerk, Schweizer Nationalität, Übernahme des gesamten 17-köpfigen Personals und natürlich Garantie der Finanzierung. Flückiger: «Ein Verkauf kommt nur in Frage, wenn es für alle stimmt. Ich bin schliesslich für mein Personal verantwortlich.»