Tobias Hoffmann
Der Erste ist Conrad Gessner (1516–1565), einer der bedeutendsten Wissenschaftler, die die Schweiz jemals hervorgebracht und den das Nationalmuseum in Zürich 2016 mit einer grossen Ausstellung geehrt hat – der Erste eines Tableaus mit 15 «handelnden Personen», die in der Publikation «Zwischen Wissenschaft und Kunst» die Hauptrolle spielen. Die einen sind vor allem Wissenschaftler mit mehr oder weniger zeichnerischer Begabung, die anderen sind gestandene Illustratoren, die als professionelle Maler, Zeichner, Kupferstecher, Radierer und Lithografen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten versuchten. Allen ist gemeinsam, dass sie eng mit Zürich verbunden waren, durch ihre Herkunft zumindest und meistens, weil Zürich ihre Wirkungsstätte war.
Die Autoren des Buchs, François G. Baer und Yves Baer, beide in Höngg wohnhaft, überblicken eine Zeitspanne von über 500 Jahren, von den Anfängen des Buchdrucks, der die ganze ausdifferenzierte grafische Handwerkskunst überhaupt erst entstehen liess, bis in die Gegenwart in Person der einzigen Frau in der Reihe, der wissenschaftlichen Illustratorin Sonja Burger (geboren 1962). Dass Zürich über all die Jahrhunderte sowohl eine Brutstätte wie auch eine Futterquelle für viele grosse oder gar herausragende Persönlichkeiten im Schnittpunkt von Wissenschaft und Grafik gewesen ist, das ist es, was die beiden Baers mit ihrer Publikation zeigen wollen – unter anderem. Wobei sie nicht unterschlagen, dass es harte Zeiten für Wissenschaft und Kunst gab, zumal im 17. Jahrhundert, als Politiker und Klerus «dem Zürcher Stadtstaat das enge Korsett der lustfeindlichen, ‹zwinglianischen› Orthodoxie überstreiften».
Aufschwung durch Aufklärung
Aber auch in jener Zeit brachte Zürich einen – heute fast völlig vergessenen – Künstler wie Conrad Meyer (1618–1689) hervor, der nach Wanderjahren in Lyon, Frankfurt am Main, Augsburg und München ab 1642 eine reiche Tätigkeit in seiner Geburtsstadt entfaltete, die aber wissenschaftlich noch kaum erforscht ist. Dabei zählte er zum Beispiel zu den Pionieren der alpinen Landschaftsmalerei. Schlag auf Schlag folgen sich die Persönlichkeiten im 18. Jahrhundert, als mit der Aufklärung das Interesse an wissenschaftlichen Themen stark wuchs. Voraus schreitet Johann Jakob Scheuchzer (1672–1733), ein Grosser der Botanik und Wegbereiter der Paläontologie (siehe «Jede Zelle Wissbegier», Nr. 28/29, 13. Juli 2023, Seite 5). Ihm folgen zum Teil kaum bekannte Könner wie David Herrliberger, Johann Caspar Ulinger, Johann Heinrich Wüest und Johann Heinrich Lips.
Hier ist aber nicht der Ort, um auf alle 15 Protagonisten einzugehen. Beschränken wir uns auf jene, die mit einem Bild vertreten sind. Der Mann, der die unten abgebildete Vedute der Stadt Zürich geschaffen hat, ist Johann Balthasar Bullinger (1713–1793). Nach einer Lehre als Maler absolvierte er seine Wanderjahre und bildete sich unter anderem beim grossen Giovanni Battista Tiepolo in Venedig sowie in Amsterdam weiter. 1741 zwang ihn eine schwere Erkrankung zur Rückkehr nach Zürich. Bald konnte er von seinen Aufträgen leben und gründete eine Familie. Ein grosser Teil seines Schaffens ist aber gemäss den Autoren nicht mehr zugänglich, seine Tapeten- und Porträtmalereien befinden sich überwiegend in Privathäusern und -sammlungen. Seine grafischen Arbeiten aber, Kupferstiche von Schweizer Landschaften, darunter zwölf Zürcher Ansichten, und seine Veduten der Stadt Zürich gelten wegen der Genauigkeit der Details «als herausragende Werke», wie es im Buch heisst.