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Stadt Zürich
20.09.2024

Die Zürcher Notarstochter, die einst die Queen und den russischen Zaren malte

Ein Selbstporträt als 12-jähriges Mädchen, ihr einziges noch erhaltenes Ölgemälde aus dem Jahr 1691, zeigt die Malerin Anna Waser (1678–1714) in jungen Jahren.
Ein Selbstporträt als 12-jähriges Mädchen, ihr einziges noch erhaltenes Ölgemälde aus dem Jahr 1691, zeigt die Malerin Anna Waser (1678–1714) in jungen Jahren. Bild: gemeinfrei
ZEITREISE – Die Stadtzürcher Miniaturmalerin Anna Waser (1678–1714) gilt als herausragende Künstlerin des Hochbarocks. Von ihrem Vatergefördert, machte sie sich schon in jungen Jahren jenseits der Landesgrenzen einen Namen.

Dominique Rais


Sie gilt als erste namentlich bekannte Schweizer Malerin der Geschichte: die Stadtzürcherin Anna Waser (1678–1714). Als fünftes Kind des Notars und Schirmschreibers Johann Rudolf Waser und dessen Ehefrau Esther Müller wuchs sie in einer wohlhabenden und angesehenen Familie im «Haus zum Grauen Mann» an der Münstergasse 19 im Zürcher Niederdorf auf.

Schon in jungen Jahren erkannte und förderte ihr Vater das künstlerischeTalent seiner Tochter und liess sie Malunterricht nehmen – allen damals gel­tenden gesellschaftlichen Konventionen zum Trotz. In der Folge schuf die aufstrebende Künstlerin im Jahr 1691 – im Alter von gerade einmal 12 Jahren – ihr wohl bekanntestes Selbstporträt. Das einzige von Waser erhaltene Ölgemälde zeigt das junge Mädchen in Patriziertrachtmit Pinsel und Farbpalette neben ihrer Staffelei, wie sie ihren einstigen Kunstlehrer porträtiert.

Mit 14 Jahren wurde Waser von ihrem Vater zu Joseph Werner (1637–1710),einem zu seiner Zeit führenden Maler, der auch für den französischen KönigLudwig XIV. (1638–1715) tätig war, nach Bern geschickt, um in dessen «Lernwerkstatt für Malerei» ihre Fähigkeiten weiter zu vertiefen – mit Erfolg, wie sich zeigen sollte.

Wasers künstlerischer Nachlass

Zurück in Zürich machte sich Waser als Miniaturmalerin einen Namen. IhreFähigkeiten als Künstlerin, Zeichnerin, Radiererin und Kalligrafin sprachen sich schon bald herum. Und so kam es, dass Waser im Jahr 1700 im Alter von 21 Jahren die Schweiz verliess, um als Hofmalerin am Schloss Braunfels an der Lahn für den preussischen Grafen Wilhelm Moritz von Solms-Braunfels (1651–1724) zu arbeiten. Ihre Anstellung dauerte rund zwei Jahre, bevor sie schliesslich wieder nach Zürich zurückkehrte, wo sie bis im Jahr 1708 künstlerisch tätig war.

Ein Selbstporträt der Zürcher Malerin Anna Waser aus dem Jahr 1706. Bild: gemeinfrei

Aus ihren späteren Schaffensjahren ist lediglich eine von 1711 gefertigte Silberstiftzeichnung auf Pergament erhalten. Über Wasers letzte Lebensjahre und die genauen Umstände, die zu ihrem frühen Tod mit nur 35 Jahren führten, ist nur wenig bekannt. Historischen Aufzeichnungen zufolge soll die Malerin mit Depressionen zu kämpfen gehabt haben, bevor sie am 20. September 1714 ihren Verletzungeninfolge eines vorange­gangenen Sturzes erlag.

Im 1757 veröffentlichten Künstler­lexikon «Geschichte und Ab­bildung der besten Mahler in der Schweitz» würdigte der Zürcher Maler und Kunsthistoriker Johann Caspar Füssli (1706–1782) Wasers Schaffen – eine zur damaligen Zeitfür eine weibliche Künstlerin ausser­gewöhnliche Ehre.

Wasers künstlerischer Nachlass beläuft sich auf etwa zwei Dutzend Zeichnungen – angefertigt mit Feder und Tusche sowie Silber- und Rötelstift. Zahlreiche Adlige zählten zu ihren Auftrag­gebern. Eine Auflistung der Waser zugeschriebenen Werke zeigt, dass sie im Jahr 1697 eine Tuschezeichnung des russischen Zaren Peter des Grossen (1672–1725) an­fertigte. Ebenfalls bekannt ist eine auf 1702 datierte Zeichnung, die das Bildnis von Queen Anne (1665–1714), Grossbritanniens erste Königin, zeigt. Auch für ihren Cousin, den renommierten Zürcher Arzt und Naturwissenschaftler Johann Jakob Scheuchzer (1672–1733) fertigte Waser mehrere Zeichnungen an. Ein Grossteil von Wasers Werken gilt jedoch bis heute als verschollen.

Zeitreise: eine historische Serie

Die historische Serie «Zeitreise» taucht ein in Zürichs Vergangenheit und greift die Geschichten von Menschen und geschichtsträchtigen Ereignissen längst vergangener Tage auf.

Haben Sie historisches Bildmaterial? Dann senden Sie eine E-Mail mit dem Betreff «Zeitreise» und Ihren Fotos an: dominique.rais@lokalinfo.ch

Dominique Rais