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Kultur
27.09.2024

In WM-Erinnerungen schwelgen

Das Fifa-Museum hatte für die «Lange Nacht der Zürcher Museen» bekannte Gesichter wie den früheren Nati-Star Blerim Dzemaili eingeladen.
Das Fifa-Museum hatte für die «Lange Nacht der Zürcher Museen» bekannte Gesichter wie den früheren Nati-Star Blerim Dzemaili eingeladen. Bild: Hakan Aki
Kürzlich lud das Fifa-Museum anlässlich der «Langen Nacht der Zürcher Museen» zu einem besonderen Leckerbissen ein. Protagonisten berichteten nicht nur über ihre WM-Erfahrung, sondern standen auch für Autogramme und Selfies bereit.

Hakan Aki

Mit seinen rund 3000 Quadratmetern Ausstellungsfläche bietet das Fifa-Museum beim Tessinerplatz dem Fussball-Fan alles, was das Herz begehrt. Neben rund 1000 geschichtsträchtigen Ausstellungsstücken, wechselnden Ausstellungen, einer Sports-Bar können Interessierte auch den originalen WM-Pokal bewundern. Allerdings ist das Anfassen des Pokals verboten. Dies ist einzig den WM-Siegern erlaubt.

Vier ehemalige Schweizer Fussballerinnen und Fussballer trafen sich kürzlich im Rahmen der «Langen Nacht der Zürcher Museen». Anlässlich der Jubiläen der Weltmeisterschaften 1954, 1994 und 2014 mit Schweizer Beteiligung teilten Teilnehmende ihre Erinnerungen. In zwei Gesprächsrunden standen Thomas Bickel (WM 1994), Blerim Dzemaili (WM 2014), Fabienne Humm (Frauen-WM 2015 und 2023) und Prisca Steinegger, heute Fussball-Expertin des Fifa-Museums, für Fragen zur Verfügung, gaben Autogramme, machten Selfies und sorgten für unvergessliche Momente bei Gross und Klein.

Zudem hatten Besucherinnen und Besucher noch bis zwei Uhr morgens die Gelegenheit, die besonderen Objekte, Trikots und Pokale zu bestaunen, aber auch dank besonderen Führungen im und in den Archiven des FIFA-Museums einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

WM in Brasilien als ein Höhepunkt

Als der ehemalige Kapitän des FC Zürich und Weltenbummler Blerim Dzemaili die Bühne betrat, schallte tobender Applaus durch den Raum. Der 69-fache Nati-Spieler stand bei den Weltmeisterschaften 2006 in Deutschland, 2014 in Brasilien und 2018 in Russland auf dem grünen Rasen.  Dzemaili, der unter anderem bei den Bolton Wanderers, dem FC Turin, dem SSC Neapel und Galatasaray Istanbul seine Brötchen verdiente, genoss die Sympathiebekundungen sichtlich. Immer wieder winkte er ins Publikum.

Als Überraschungsmoment seiner WM-Karriere erwähnte der ehemalige Profi die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien: «Ausser dass wir eine hervorragende Weltmeisterschaft spielten, war sie sehr gut organisiert, was wir nicht erwartet haben. Zudem haben uns die Fans grossartig unterstützt und durch das Turnier getragen», erinnerte er sich.

Natürlich wurde er auf die 118. Minute des Achtelfinals gegen Argentinien an­gesprochen, in der Angel De Maria der Schweizer Nati durch sein spätes Tor das Rückflugticket ausstellte. «Ich erinnere mich, dass ich eingewechselt wurde. Wir bekamen das unglückliche Gegentor, hatten in der 120. Minute noch eine Chance zum Ausgleich. So ist Fussball. Was blieb, war die Erkenntnis, dass wir es gegen so eine grosse Fussballnation wie Argentinien aufnehmen und mithalten können. Nicht zuletzt, weil wir die Anfeuerungsrufe der brasilianischen Fans im Rücken hatten.» Der ehemalige Kapitän des FC Zürich fügte an: «Den fussballerischen Erfolg, den wir damals anstiessen, führten Spieler wie Xhaka, Shaqiri, Rodriguez und Co. fort.»

Hitzfeld war eine Respektsperson

Angesprochen auf seinen damaligen Trainer Ottmar Hitzfeld, den viele auch den General nennen, sagte der ehemalige Nati-Spieler: «Er kam mit grossen nationalen und internationalen Erfolgen und reichlich Erfahrung im Gepäck zur Nati. Ottmar Hitzfeld war für uns alle eine Respektsperson, die viel Ruhe ausstrahlte.» Für ihn persönlich sei die Weltmeisterschaft 2014 in Russland die erfolgreichste gewesen. «Ich habe jedes Spiel bestritten.»

Dzemaili blickt auf eine 20-jährige, erfolgreiche Karriere zurück:  «Eine Fussballerkarriere ist verhältnismässig kurz. Deshalb sollte man jede Minute geniessen. Das habe ich getan und bin sehr dankbar für das, was ich erreicht habe.» Er erwähnte «die drei Meisterschaften mit dem FCZ, drei Cupsiege mit Napoli und die Erfolge mit Galatasaray».

Auf die Frage, was er dem Nachwuchs rate, um eine ebenso erfolgreiche Fussballerkarriere an den Tag zu legen, antwortete der alte Fuchs: «Statt in eurer Freizeit am Natel zu hängen, solltet ihr es weglegen, den Ball in die Hand nehmen und auf den Bolzplatz stürmen. Zu meiner Zeit gab es keine sozialen Netzwerke. Das Einzige, was für mich zählte, war der Ball.» Und weiter: «Ich rate allen, die ernsthaft etwas aus sich machen wollen, nicht ihr Leben zu träumen, sondern ihre Träume zu leben.»

Ein weiterer Höhepunkt des Abends für Fussball-Fans war der Auftritt des ehemaligen Nati-Stars Fabienne Humm. Bild: Hakan Aki

«Bumm-Bumm-Humm»

Während die eine FCZ-Legende von der Bühne ging, betrat sie eine andere: Fabienne Humm. Die Torgarantin nahm an den Fifa-Frauen-Weltmeisterschaften 2015 in Kanada und 2023 in Australien und Neuseeland teil. Geschichtsträchtig ist das Spiel gegen Ecuador. Innerhalb von fünf Minuten gelangen «Bumm-Bumm-Humm» (O-Ton «Blick») drei Tore. Es war der schnellste Hattrick in der Frauen-WM-Geschichte.

Heute amtet die fünfmalige Torschützenkönigin, die 401-mal für die FC-Zürich-Frauen auflief und dabei 307-mal das Runde ins Eckige beförderte, als EM-Botschafterin für die Frauen-Europameisterschaft 2025 im eigenen Land. Diese findet vom 2. bis zum 27. Juli 2025 statt. Neben Zürich gehören Basel, Bern, Genf, St. Gallen, Luzern, Thun und Sion zu den Austragungsorten.

Gemeinsam mit der 55-fachen Nationalspielerin und Schweizer Fussballerin des Jahres 2003 und heutigen Fussball-Expertin des Fifa-Museums, Prisca Steinegger, sprach Fabienne Humm über die Entwicklung im Frauenfussball. Die Vorfreude auf das bevorstehende Grossereignis sei enorm. «Seit kurzem fährt das EM-Tram durch Zürich, was die Bedeutung des Events vor Augen führt. Es wird neben Fan-Meilen verschiedene Aktionen geben, die Gross und Klein ins Stadion locken sollen. Für nur 25 Franken ist es eine einmalige Gelegenheit, Fussball hautnah mitzuerleben. Also registriert euch und seid dabei», begann Humm ihre Ausführungen.

Die frühere Fussballerin Prisca Steinegger freut sich bereits sehr auf die Frauen-EM im nächsten Jahr. Bild: Hakan Aki

Boom im Frauenfussball auslösen

«Es soll unser Sommermärchen werden. So hoffen wir auf volle Stadien und auf eine gute Stimmung weit über die Landesgrenzen hinaus», sagte Prisca Steinegger. Sie freut sich auf die Frauenfussball-EM im eigenen Land. Taktisch sei der Frauenfussball schon immer auf einem hohen Niveau gewesen. Die Entwicklung in den letzten zehn Jahren ist nach Steineggers Meinung enorm. «Diese Entwicklung kann man auch daran festmachen, dass heutzutage auch im Frauenfussball in Torwart- und Stürmerinnen-Trainer investiert wird. Zu meiner Zeit gab es, wenn überhaupt, einen Assistenztrainer», so die Fussballexpertin weiter. Dazu käme die technische Entwicklung wie Videoanalysen, um die man in früheren Zeiten dankbar gewesen wäre.

Steinegger hofft nicht nur auf ein rauschendes Fussballfest während der Europameisterschaft. «Es wird wichtig sein, nachhaltig davon zu profitieren. Zum ­einen wird ein erfolgreiches Turnier zu einem Boom im Nachwuchsbereich führen. Zum anderen ist es auch Aufgabe der jeweiligen Verbände, vorab mehr in Trainerinnen wie auch Schiedsrichterinnen zu investieren und so dafür zu sorgen, dass es kein Sonntagsschuss wird.»

Auch der ehemalige Fussballer und Nationalspieler Thomas Bickel gab im Fifa-Museum Auskunft. Bild: Hakan Aki

Erwartungshaltung war gross

Als letzter Redner ergriff Thomas Bickel, der WM-Fahrer von 1994, das Wort und berichtete von seinen Erlebnissen in Amerika. «Es war die erste Weltmeisterschaft mit Schweizer Beteiligung nach fast 30 Jahren», erinnerte der Fussballer des Jahres 1994 die Anwesenden. «Es war das Spiel gegen Estland im Hardturm im November 1993. Uns war klar, dass wir 4:0 gewinnen mussten. Entschlossen gingen wir aufs Feld, holten den Sieg und lösten das WM-Ticket. Das Highlight meiner Karriere.» Alain Sutter, Georges Bregy, Stéphane Chapuisat und Co. sicherten sich einen Eintrag in den Geschichts­büchern.

Nach der Qualifikation sei die Erwartungshaltung im Land gross gewesen, so Thomas Bickel weiter. «In einer Gruppe mit dem Gastgeber, Rumänien und Kolumbien haben wir unsere Chance gewittert. Rückblickend kann man sagen, dass wir unser sportliches Ziel erreicht haben. Mit der damaligen Mannschaft wäre aber durchaus mehr möglich gewesen.»

Neben all der Euphorie, die die WM 94 mit sich brachte, kam Thomas Bickel auch auf den traurigsten Moment zu sprechen: «Wir spielten in einer Gruppe mit Kolumbien. Im Spiel gegen die USA unterlief dem Kolumbianer Andrés Escobar ein Eigentor. Durch die 1:2-Niederlage schied Kolumbien aus. So ist Fussball, könnte man meinen. Dass Andrés Escobar dafür elf Tage danach erschossen wurde, ist die Kehrseite der Medaille und die traurigste Erinnerung, die mir in Zusammenhang mit der WM 94 bleibt.»

Bickel kam auch auf die Talentförderung und Nachwuchsarbeit im Schweizer Fussball zu sprechen. «Die Teilnahme an der WM in den USA ist eine Erfolgsgeschichte, die anhält. Trotzdem ist es meiner Meinung nach nicht selbstverständlich, dass wir uns für derartige Grossereignisse qualifizieren.»

Die Veranstaltung anlässlich der «Langen Nacht der Zürcher Museen» war nicht nur ein Zusammentreffen von Legenden und den Stars von morgen. Es verdeutlichte auch die Wertschätzung für die erbrachten Leistungen. Statt uns über die Haarfarbe einzelner Spieler Gedanken zu machen, sollten wir uns rückbesinnen, dass die elf Freunde auf dem Feld im Einsatz für die Schweiz stehen und ihr letztes Hemd für den Erfolg geben.

Hakan Aki/Zürich24