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Stadt Zürich
29.10.2024
24.11.2024 09:08 Uhr

Darum gehts heute an den Städtischen Urnen

108 Meter hoch soll das UBS-Hochhaus werden.
108 Meter hoch soll das UBS-Hochhaus werden. Bild: Visualisierung Itten Brechbühl AG / Kengo Kuma & Associates
An die Urne kommen heute Gegenvorschläge zur Volksinitiative «Bezahlbare Wohnungen für Zürich», die Volksinitiative «Tschüss Genderstern!», ein Hochhausreferendum, Behördenmitglieder-Gelder und die Rathausbrücke.

Lorenz Steinmann

Eine geballte Ladung an städtischen Vorlagen gelangen heute Sonntag vors Stimmvolk. Es sind Paradebeispiele dafür, was dank direkter Demokratie möglich ist. Wir bringen einen Überblick auf Basis des Abstimmungsbüchleins und der Reihenfolge gemäss Abstimmungscouvert.

Die ersten beiden Vorlagen sind vom Ablauf her die kompliziertesten. Die Stimmberechtigten entscheiden gleichzeitig über den direkten und den indirekten Gegenvorschlag zur Volksini­tiative «Bezahlbare Wohnungen für Zürich». Die Volksinitiative wurde zurückgezogen. Deshalb wird darüber nicht abgestimmt. Einfach gesagt geht es darum, dass die Stadt und ihre Wohnbaustiftungen mehr Liegenschaften und Grundstücke kaufen. Damit sollten sie günstigen Wohnraum schaffen. Dazu braucht es eine Änderung der Gemeindeordnung (Vorlage 1). Zusätzlich soll es eine Übertragung von 300 Millionen Franken städtischen Vermögenswerten zur Aufstockung der Stiftungskapitalien der vier städtischen Wohnbaustiftungen geben. Im Gemeinderat gab es für beide Vorlagen dank Links-Grün ein knappes Ja. Auch der Stadtrat ist für die beiden Vorlagen. FDP, SVP, Mitte und EVP lehnen die Gegenvorschläge hingegen ab. Zürich brauche unbedingt mehr Wohnungen für alle und nicht noch mehr Subventionen für wenige, so der bürgerliche Tenor. Die GLP lehnt ebenfalls beide Gegenvorschläge ab, weil sie «dem Trend von zu wenig bezahlbaren Wohnungen nicht entgegenwirken werden».

Zur dritten Vorlage: Die Stadt hat im Juni 2022 den Genderstern für ihre Texte eingeführt, um alle Geschlechter anzusprechen. Ein Beispiel: Die «Bewohner*innen». Die Volksinitiative «Tschüss Genderstern!» verlangt, dass die Stadt auf den Genderstern und andere Sonderzeichen innerhalb von Wörtern verzichtet. Sie soll eine klare Sprache verwenden. Das Thema beschäftigt die Öffentlichkeit und die Medien stark. Für nicht wenige Bür­gerinnen und Bürger ist der Genderstern ein Zeichen der «woken» Gesellschaft, ein Symbol der Bevormundung gar. Stadt- und Gemeinderat hingegen lehnen die Initiative ab. Beide verzichten auf einen Gegenvorschlag. Ja zur Initiative sagen FDP, SVP, Mitte und EVP, dagegen sind SP, Grüne, GLP und AL. Die Initiativgegner argumentieren, dass die Stadt sich mit dem Gen­derstern dafür einsetze, dass alle Menschen mit Respekt behandelt würden. ­«Geschlechtergerechte Sprache trägt dazu bei», heisst es dazu. Das Initiativkomitee findet, dass der Genderstern behördliche Texte unverständlich mache und zu grammatikalisch falschen Formen und zu Rechtsunsicherheit führe. Diese Zeitung übrigens verzichtet ebenfalls auf den Genderstern, nicht aber auf die möglichst konsequente Nennung der männlichen und weiblichen Form. 

Das Hochhaus könnte zum neuen Wahrzeichen von Altstetten avancieren – sofern es denn je gebaut wird. Bild: Visualisierung Itten Brechbühl AG / Kengo Kuma & Associates

Die vierte Vorlage handelt vom privaten UBS-Gestaltungsplan in Altstetten. Die UBS will nördlich des Bahnhofs Alt­stetten einen 108 Meter hohen Büroturm erstellen, mehrheitlich aus Holz. Weil das geplante Gebäude 30 Meter höher ist, als in diesem Gebiet eigentlich erlaubt wäre, musste die UBS einen Gestaltungsplan ausarbeiten. Im Hochhaus sollen künftig 2700 Personen arbeiten können. Nachdem Stadt- und Gemeinderat dem Gestaltungsplan zugestimmt hatten, ergriffen die Jungen Grünen das Referendum. Sie fordern zusammen mit den Grünen und der AL, dass hier Wohnungen statt Büros gebaut werden. Leerstehende Büros habe es in Zürich mehr als genug, im Gegensatz zu viel zu wenig (bezahlbaren) Wohnungen. Um die negativen Auswirkungen der vielen Büros zu mindern, solle der Stadtrat bei Neuverhandlungen mit der UBS Bauland und gemeinnützige Wohnungen anstelle der angedachten Rooftop-Bar fordern. Für den UBS-Gestaltungsplan sind SP, FDP, GLP, SVP, Mitte und EVP.

Die fünfte und zweitletzte Vorlage handelt von Abgangsleistungen an Behördenmitglieder. Hatten wir das nicht schon mal? Tatsächlich haben die Stimmberechtigten im März entschieden, dass nur noch Stadträte Abgangsentschädigungen erhalten sollen. Danach hat das Parlament aber beschlossen, dass auch andere gewählte Behördenmitglieder, etwa Schulpräsidentinnen und Schulpräsidenten oder Friedensrichter, Anspruch auf Abgangsleistungen erhalten sollen. Ein SVP-nahes Komitee hat dagegen das Referendum ergriffen. Für die SVP ist klar: «Trotz des Volksentscheids vom 3. März will die Mehrheit des Stadtparlaments Behördenmitgliedern weiterhin Abgangsentschä­digungen zuschanzen.» Man sei überzeugt, dass die Bevölkerung eine derartige Geringschätzung eines Volksentscheids nicht goutiere. 

Doch ausser der SVP sagen alle im Gemeinderat vertretenen Parteien Ja zur Vorlage, also SP, FDP, Grüne, GLP, AL, Mitte und EVP. Für ein Nein ist die SVP  und als Randnotiz: die Redaktion der NZZ. 

Die verbleibende Vorlage betrifft den Ersatzneubau der Rathausbrücke. Es geht um genau «58,345 Millionen Franken», wie es im Abstimmungstext heisst. Laut der Stadt ist die Rathausbrücke, die im Volksmund auch Gemüsebrücke genannt wird, instandsetzungsbedürftig. Zudem muss laut den Behörden mit dem neuen Entlastungsstollen Sihl–Zürichsee ab dem Jahr 2026 die Abflusskapazität im Bereich der Rathausbrücke erhöht werden. Dies gehe nur mit einem Ersatzneubau. Im Rat war die Vorlage eher unbestritten, nur die SVP sagte Nein. Die SVP ist jetzt auch gegen die Vorlage. Kritisiert wird vor allem, dass das Projekt plötzlich 20 Millionen mehr koste als ursprünglich angegeben. Dafür sind SP, FDP, Grüne, GLP, AL, Mitte und EVP. 

Pointierte Kritik formuliert wird in einem pfeffrigen Artikel auf dem Finanzportal «Inside Paradeplatz». Aufgeworfen wird die Frage, warum die Rathausbrücke abgerissen werden müsse; schliesslich stünden mit den doch viel älteren benachbarten Münster- und Urania-Brücken zwei in der Limmat, die nicht angerührt würden. Die Stadt antwortete, eine Renovation würde fast gleichviel kosten wie ein Neubau. Nur ging man damals von rund 32 Millionen aus, weswegen man sich für einen Neubau entschieden hätte. Das Neubauprojekt will ein Bauwerk ersetzen, das mit Baujahr 1973 erst gut 50‑jährig ist. Das Vorgän­germodell damals wurde wegen «Nichttauglichkeit» abgebrochen. Doch nun werden laut «Inside Paradeplatz» die beliebte Ausbuchtung seitlich zum «Haus zum Schwert» aufgehoben, die Stände «vernichtet» und die Taxiplätze aufgehoben. Den bekannten Touristen-Fotostandplatz wird es nicht mehr geben. Somit erwächst dem Projekt nicht nur Kritik von der SVP, auch «Inside Paradeplatz» und mit ihm der Züriberg-Bewohner und Eigner Lukas Hässig sind gegen das Bauprojekt. 

Nationale Vorlagen sind umstritten 

Offen sind die Urnen bis am Sonntag, 24. November, um 12 Uhr. Auf kantonaler Ebene gibt es keine Vorlagen, hingegen wird national über zwei Mietrechtsvorlagen, eine Mini-Gesundheitsreform und den Ausbau der Nationalstrassen befunden. Solch durchaus umstrittene Vorlagen sorgen normalerweise für eine vergleichsweise hohe Stimmbeteiligung.

Tobias Hoffmann/Zürich24
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