Die Schweiz und die EU stehen kurz vor dem Abschluss eines neuen Vertragspakets. Dieses soll die bilateralen Beziehungen auf ein neues Fundament stellen, doch noch bevor die Öffentlichkeit über den Inhalt diskutiert, sorgt eine andere Frage für politischen Zündstoff: Wer entscheidet eigentlich darüber, nur das Volk oder auch die Kantone?
Zürich ausschlaggebend
Für Zürich könnte das eine zentrale Rolle spielen. Denn je nachdem, ob ein obligatorisches oder ein fakultatives Referendum zur Anwendung kommt, wiegt das Zürcher Verdikt doppelt oder einfach. Und: Bereits einmal war es Zürich, das beim Schengen/Dublin-Abkommen 2005 mit einem Nein unter den ausschlaggebenden Kantonen war.
Bundesrat will einfache Abstimmung
Der Bundesrat schlägt vor, das neue Vertragspaket dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Damit würde eine einfache Mehrheit des Stimmvolks ausreichen. Grund dafür, die Verträge stellten keinen Systemwechsel dar und griffen nicht tief genug in die verfassungsmässige Ordnung ein, um ein obligatorisches Referendum zu rechtfertigen. Zudem sei ein EU-Beitritt laut Verfassung der einzige Fall, der zwingend eine doppelte Mehrheit erfordert.
Doch dieser Entscheid ist umstritten. Kritiker fordern mehr Mitsprache. Wenn über Jahrzehnte Recht übernommen und Streitfälle von einem gemischten Ausschuss beurteilt werden sollen, könne das nicht ohne die Zustimmung der Stände geschehen, so die Argumentation.
Zürich als Zünglein
Das ist mehr als eine juristische Spitzfindigkeit. Sollte die Bundesversammlung das Paket doch dem obligatorischen Referendum unterstellen, gewinnt Zürich massgebliches Gewicht.
Auch im Falle einer Verfassungsänderung, etwa wenn das Parlament die EU-Verträge durch einen neuen Verfassungsartikel absichern will (wie beim UNO-Beitritt 2002), bräuchte es ein Ständemehr, Zürichs Stimme würde dann wie jede andere Kanton zählen, trotz seiner Bevölkerungsgrösse.
Kompass-Initiative
Die sogenannte Kompass-Initiative, verlangt, dass alle völkerrechtlichen Verträge mit «Rechtsübernahme» und «institutioneller Anbindung» zwingend der doppelten Zustimmung unterstellt werden, also Volk und Stände. Die Initiative enthält eine Rückwirkungsklausel. Würden die neuen EU-Verträge per einfachem Volksmehr beschlossen, könnte eine Annahme der Initiative eine zweite Abstimmung erzwingen.
Zürcher Politik uneinig
In der Zürcher Politik sind die Fronten erwartungsgemäss klar: FDP und GLP zeigen sich offen für das neue Vertragswerk. Die SP fordert flankierende Massnahmen zum Lohnschutz. SVP und EDU hingegen warnen vor einem «schleichenden EU-Beitritt».
Wie weiter?
Im Frühjahr 2026 sollen die Verträge unterschrieben werden. Bis dahin muss die Rechtslage geklärt sein.