Home Region Sport Magazin Schweiz/Ausland
Sport
29.09.2022
29.09.2022 22:49 Uhr

15 Jahre Arbeit hinter den Kulissen

«Jetzt geht es darum, das neue Stadion als Multifunktionshalle optimal zu nutzen», sagt Peter Zahner vor der charakteristischen Hallenfassade. Ihm geht die Arbeit also auch nach der Eröffnung am 18. Oktober nicht so schnell aus.
«Jetzt geht es darum, das neue Stadion als Multifunktionshalle optimal zu nutzen», sagt Peter Zahner vor der charakteristischen Hallenfassade. Ihm geht die Arbeit also auch nach der Eröffnung am 18. Oktober nicht so schnell aus. Bild: Lorenz Steinmann
Eigentlich ist Peter Zahner hauptsächlich für das Funktionieren der ZSC Lions mit ihren vielen Teams verantwortlich. Doch den grössten Wurf hat er mit der neuen Arena erzielt. Wie schaffte der CEO etwas so Grosses, das beim Fussball einfach nicht möglich scheint?

Lorenz Steinmann & Thomas Hoffmann

Als 2010 intern der Stadionentscheid gefallen war zugunsten des Standorts Zürich-Altstetten, ging das Ganze für Zürcher Verhältnisse erstaunlich schnell. Peter Zahner fasste vom Verwaltungsrat den Auftrag, das ZSC-eigene Stadion möglichst rasch zu realisieren. Peter Zahner, das ist seit 2007 der Geschäftsführer, also CEO der ZSC Lions AG und damit für den Betrieb der ZSC Lions verantwortlich.

Immer eine Ansprechperson

Nun wird das schmucke, architektonisch durchaus herausragende Gebäude am Dienstag, 18. Oktober, eröffnet. Die grossen Reden werden aber andere Honoritäten halten. Peter Zahner sucht diese Art von Öffentlichkeit nicht. Dafür sah er bei der Stadionplanung alle wichtigen Gespräche als Chefsache an. Und das waren nicht wenige. In seinem engen, schattigen Büro mit naher Bahnlinie hat er feinsäuberlich alle selber zusammengestellten Unterlagen zu Entscheidungsträgern und politischen Vertretern gesammelt.

Sprich, er hat sich auf alle relevanten Personen und Gespräche vorbereitet und sie persönlich geführt. «Mit gut 80 Gemeinderätinnen und Gemeinderäten habe ich mich getroffen, irgendwo in Zürich oder in meinem Büro», verrät der grossgewachsene 61-Jährige. Mit einer gegenüber dem Stadionprojekt besonders kritischen SP-Gemeinderätin habe er fast vier Stunden in einem «Kafi» in der Zürcher Altstadt gesprochen. «Sie war zwar auch nachher noch gegen den Bau, aber sie versprach, faktentreu zu bleiben.»

Mit anderen Kritikern, etwa AL-Polit-Doyen Niklaus Scherr, verstand sich Zahner überaus gut. «Wir trafen uns zufällig im Lift im Vorfeld einer Besprechung mit Stadtrat Daniel Leupi», so Zahner mit einem Schmunzeln im Gesicht. Scherr sei nicht negativ eingestellt gewesen, er habe einfach die richtigen Fragen gestellt. «Scherr war sehr sattelfest im Dossier», erinnert sich Zahner.

Gute Noten stellt er punkto Verhandlungen der Stadt Zürich aus. Er konnte jeweils mit den verantwortlichen Stadträten oder den sach­kundigen zuständigen Verant­wortlichen aus der Verwaltung ­diskutieren, da gab es keine Zwischenstationen mit komplizierter Rückfragerei. «Ich spürte überall, dass man wollte, dass das Projekt zustande kommt.»

«Andere Stadien haben auch nicht mehr Parkplätze»

Nicht optimal sei hingegen das Parkplatzangebot in der Swiss Life Arena. Mit 350 Stück im neuen Stadion und rund 700 beim Engrosmarkt und im Letzipark gibt es künftig nur halb so viele wie bisher beim Hallenstadion. Zahner sieht aber auch das positiv. «Wir hätten gerne mehr Parkplätze im Haus gehabt. Das war aber nicht bewilligungsfähig.» Zahner hat deswegen eine Umfrage bei den anderen Eishockeyclubs der National League gemacht. Fazit: Der Vergleich zeigt, dass man sich mit der neuen Swiss Life Arena etwa im Mittelfeld befinde. Im Stadion Letzigrund sei die Parkplatzsituation ebenfalls alles andere als optimal.

Nie mehr ausweichen nach Rapperswil

Zahner lobt zudem die Anbindung an den ÖV mit dem Bahnhof Altstetten. Ausserdem setzt er grosse Hoffnungen auf die geplante Fussgängerpasserelle über die Autobahn A1 vom Norden ans ­Stadion. Diese soll Höngg und die Grünau sowie das VBZ-Tramnetz noch besser ans Stadion anbinden. Die Anbindung, das ist eigentlich der einzige Punkt, wo man weh­mütig werden könnte. Das Hallenstadion mit dem Elfer-Tram vor der Haustüre. Doch für Zahner überwiegen zu fast 100 Prozent die Vorteile. «Nun können wir in der ­eigenen Halle wirtschaften und müssten nicht dauernd auf all die anderen Veranstaltungen Rücksicht nehmen.»

Besonders krass wars 2009. Damals gewannen die ZSC Lions die zu jener Zeit noch anders organisierte Champions League mit russischer Beteiligung. Das Halbfinale gegen die damaligen Espoo Blues Helsinki und auch das Finale gegen Magnitogorsk mussten in Rapperswil im Kanton St. Gallen ausgetragen werden.Das Hallenstadion war für beide Termine schon anderweitig besetzt. «Das war sicher auch ein Grund, warum sich die Stadtzürcher Behörden so kooperativ bei der Stadionrealisierung zeigten», ist Zahner überzeugt.

So eine Peinlichkeit färbt auch aufs Image einer Stadt ab. «Die Stadtregierung wollte unbedingt etwas gegen das Vorurteil tun, Zürich könne keine Sportstätte, ja überhaupt kein Grossprojekt bauen. Das half uns», zieht Zahner sein Fazit.

Stresstest Familiengärtner

Hatte er auch mal Bedenken, dass es nicht klappt? Zahner glaubte ganz nach seiner Lebenseinstellung immer daran. Aber einmal sei er richtiggehend erschrocken. Es war an einer Generalversammlung des Familiengartenvereins Altstetten-Albisrieden. Der Vertreter der Stadt sagte den 400  Anwesenden, sie müssten ihren ­Garten bald aufgeben, da das neue Stadion Platz brauche. Ein empörter Saal war die Folge. «Und nun war ich der nächste Redner und musste Leute überzeugen, die wohl zu 99  Prozent nicht wussten, was Eis­hockey genau ist», erinnert sich Zahner.

Er schaffte es auch hier, die Wogen zu glätten. Dass man später das Versprechen gehalten hat, den Familiengärtnern zu helfen beim Suchen eines neuen Standorts und bei den Kosten des Abbruchs, darauf ist Zahner stolz. Die angekündigte schweizweite Unterschriftensammlung von Familiengarten-Vereinigungen gegen das Stadion verlief übrigens im Sand.

Unihockey-WM und mehr

Was ändert sich für Zahner persönlich mit dem neuen Stadion? «Unsere Organisation ist nun vereint an einem Ort. Daheim in einem Gebäude. Das schafft enorme Vorteile.» Bisher war die Geschäftsstelle gut einen halben Kilometer entfernt vom Hallenstadion, dieses ebenfalls einige Schritte von der Trainingshalle «Stadiönli» und von den Spieler­kabinen und vom Trainerstaff weg.

Doch Zahner wäre nicht Zahner, wenn er nicht schon fast warnend hinzufügte: «Nun sind wir verant­wortlich fürs eigene Stadion, mit ­allen Rechten und Pflichten.» Alle beisammen, das gilt auch für die älteren Nachwuchsteams. «Wir freuen uns enorm, die neue Halle wird sicher eine Festung», sagt Zahner, der übrigens zu seinen Aktivzeiten beim SC Reinach eine Zeitlang von der heutigen Legende Arno Del Curto trainiert wurde.

Die ZSC Lions bekommen also ­einen eigenen Eishockeytempel, mit steilen Zuschauerrampen nahe am Spielfeld, dem europaweit grössten Videowürfel, sowie eigenen Gastroeinrichtungen. Ebenfalls wirtschaftlich spannend: Die ZSC Lions können nun die Halle 365 Tage lang selbst nutzen oder belegen lassen. So finden schon im November 2022 die Weltmeisterschaften im Unihockey statt. 2026 ist Zürich-Altstetten dann zusammen mit Fribourg Austragungsort der Eishockey-WM, wobei in Zürich dann der Final stattfinden wird.

Kein Zweifel: Zürich scheint sich dank dem neuen Stadion wieder zum Schweizer Hotspot des Sports zu entwickeln. Daneben eignet sich die Swiss Life Arena auch für viele diverse Anlässe wie Corporate Events, zum Beispiel Generalversammlungen. «Einzig Konzerte dürfen wir nicht veranstalten», sagt Zahner. Das habe man mit der Stadt so vereinbart. Sonst wäre man zur zu grossen Konkurrenz geworden zum ehemaligen «Wädlitempel» in Zürich Nord.

Eine Frage bleibt doch noch. Warum genau klappte es mit dem Stadionbau im Gegensatz zum Fussball, wo seit mindestens 25 Jahren über ein neues Stadion diskutiert wird? Zahner zuckt mit den Schultern. «Mir wurde vor dreizehn Jahren gesagt: Mach es einfach nicht so wie die Fussballer, mach es genau anders, dann klappt es schon.»

«Nie etwas fordern»

Und tatsächlich folgt nun am 18. Oktober die grosse Eröffnung des eigenen Stadions (siehe Seite 2). Der Unterschied zur Never Ending Story beim Fussball? Keine Steuergelder, sondern privates, offengelegtes ­Eigenkapital für den Bau, nie etwas fordern, kein öffentliches Lamento über die Verwaltung und die Politiker, Verhandlungen sind Chefsache  – mit dem steten Support des Verwaltungsrats –, aber ohne PR-Agenturen und wechselnde Zuständigkeiten. Klare, offene Kommunikation ohne lange Hinhaltetaktik. «Anlaufstelle war immer mein Büro», schmunzelt der geborene Networker.

Peter Zahner geht mit seinem Wurf ein in die Schweizer Geschichte der Brückenbauer, auch wenn er gelernter Betriebsökonom ist.

Der sattelfeste Betriebsökonom mit enormem Sport-Know-how

Peter Zahner (*1961) wuchs in Aarau auf und spielte Fussball als Junior beim FC Aarau und Eishockey als Junior und in der 1. Liga beim SC Aarau. Später und bis zu einer schweren Knieverletzung war er aktiver Eis-hockeyaner beim SC Reinach (damals 1. Liga). Sein Trainer: Arno Del Curto. Ab 1988 war Zahner dann beim EHC Kloten als Profitrainer in der Nachwuchsabteilung sowie als Co-­Trainer in der NLA tätig. 1991 wechselte er zum Schweizerischen Eishockeyverband (SEHV, heute Swiss Ice Hockey Federation SIHF) und übernahm die Leitung der Junioren-Nationalteams.

1995 wurde er beim SEHV zum Sportdirektor befördert und war in dieser Zeit zudem Trainer beim EHC Winterthur respektive beim EHC Dübendorf. Von 2004 bis 2007 war Zahner Verbandsdirektor des SEHV. Auf den 1. Dezember 2007 wechselte er als Geschäftsführer zu den ZSC Lions. Als Erstkontakt zu den ZSC Lions agierte der ehemalige Nati-Trainer ­Simon Schenk, den Zahner eigentlich «nur» wegen einer Referenz für die Jobsuche anfragte. Neben seinem Diplom als Betriebsökonom hat Zahner ein Executive MBA der Uni Zürich sowie alle relevanten Trainerdiplome im Schweizer Eishockey. (ls.)

«Diese Akten werde ich wohl als Erinnerung behalten», urteilt Peter Zahner. Eines seiner Geheimnisse zum erfolgreichen Stadionprojekt war die individuelle Vorbereitung auf mögliche Projektkritiker. Bild: Lorenz Steinmann

Diese Standorte standen auch zur Diskussion

Als Peter Zahner 2007 das Amt von Simon Schenk († 2020), des höchst erfolgreichen, vorherigen Geschäftsführers, übernahm, überreichte ihm Schenk auch einen Karton, der mit «Stadionprojekte» angeschrieben war. Denn schon damals machte man sich bei den ZSC Lions Gedanken darüber, wo und wie man wegkommen könnte von der Abhängigkeit des Hallenstadions, wo man nur Mieter ohne viele Rechte war. Laut Zahner gab es zu gut 20 Standorten nähere Abklärungen. Dazu gehörten das Milandia in Greifensee, der Standort Opfikon/Glattbrugg, der Flugplatz Dübendorf, die Offene Rennbahn Oerlikon, das Auzelg und sogar der Hardturm mit einem Duplex-Stadion. Speziell in Erinnerung ist Zahner eine Besprechung mit dem damaligen Stadtpräsidenten von Opfikon-Glattbrugg. Dieser kam zuerst auf seine beiden Stadtpolizisten zu sprechen. Somit war sofort klar: Das wird nur schon aus Sicherheitsüberlegungen nichts mit einem Standort ausserhalb Zürichs. Auch Gebiete wie Volketswil oder gar ein gemeinsames Projekt mit Kloten (damals noch auf einem Gelände der Swissair) wurden schnell fallengelassen. Grund: Inakzeptanz der Fans. Schlussendlich ist der Standort Zürich-Altstetten auch ein Bekenntnis zur Stadt Zürich als Heimat der ZSC Lions. (ls.)

Lorenz Steinmann & Thomas Hoffmann
Demnächst