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Kultur
25.07.2023
25.07.2023 15:10 Uhr

«Die Biodiversität ist unsere Verbündete»

Filmemacherin Isabella Sedivy (44) ist mit ihrer Familie gern in der Natur unterwegs.
Filmemacherin Isabella Sedivy (44) ist mit ihrer Familie gern in der Natur unterwegs. Bild: zvg
In urbanen Gebieten werden auf vielen Dächern und in Gärten Honigbienen gezüchtet. Die Biologin und Journalistin Isabella Sedivy zeigt in ihrem Film «Das Bienendilemma», dass dies nun zu einem Problem wird. Im Interview spricht sie auch darüber, was ihr Hoffnung macht.

Urs Heinz Aerni

Isabella Sedivy, seit dem Film «More than Honey» über das Bienensterben erfuhr die Imkerei einen Boom. Vor allem in den Städten wimmelt es von Imkerinnen und Imkern. Doch jetzt gerät die Liebe und das Geschäft mit dem Honig in einen Kippzustand. Was hat Sie dazu bewogen, dieses Thema filmisch aufzugreifen?

Als ich noch bei «Netz Natur» gearbeitet habe, haben wir mehrfach über Honigbienen und andere Insekten berichtet. Da wurde mir bereits klar, dass die Honigbiene ein teilweise sehr intensiv gehaltenes Nutztier ist, welches irreführenderweise als Sinnbild der Biodiversität dient. Gleichzeitig geniessen Honigbienen grosse Sympathie in der Bevölkerung und Imkerinnen setzen sich weltweit gegen besonders schlimme Bienengifte wie Neo­nikotinoide und für eine naturnähere Landwirtschaft ein, was auch allen anderen Insekten zugutekommt.

Jedoch ...?

Aufgrund der erhöhten Aufmerksamkeit für die Probleme der Honigbienen haben viele Menschen mit der Honigbienenhaltung begonnen, weil sie dachten, auf diese Wiese etwas für die Artenvielfalt zu tun. So kam es, dass die Menge an Honigbienen stark zunahm und sie insbesondere in Städten und Naturschutzgebieten für Wildbienen und andere Bestäuber­insekten zum Problem wurden. Richtig gepackt hat mich das Thema aber erst, als ich von den wild lebenden Honigbienen erfahren habe und davon, dass die Dunkle Biene in einem unveröffentlichten Bericht zuhanden des Bundesamtes für Umwelt eindeutig als einheimisches Wildtier bestimmt worden ist.

In Ihrem Film berichten Sie insbesondere, wie die Honigbiene zu einem Zuchttier und zu einer Belastung der Wildbiene wurde. Wie dürfen wir uns Ihre ersten Schritte bei der Recherche vorstellen?

Ich habe mich schlaugemacht über die ­diversen Honigbienenunterarten und Zuchtformen, die in der Schweiz gehalten werden. Hier hat sich das Dilemma rasch gezeigt. Dass nämlich Bienen mit mehr Honigertrag auch grössere Völker haben und dass die Sanftheit, die den Bienen angezüchtet wird, auch mit einer verstärkten Anfälligkeit für Krankheiten einhergeht.

Mit welchen Folgen?

Bei der ganzen Zucht wird kaum Gewicht auf Robustheit gegenüber Parasiten und Krankheiten gesetzt. Auch das Schwarmverhalten, welches eigentlich zur Gesundheit der Honigbienen beiträgt, wird ­unterdrückt. Und die Haltung in Bienenhäuschen von Dutzenden Honigbienenvölkern dicht beieinander entspricht nicht der Natur der Honigbiene.

Dass die unnatürlich vielen Honigbienen zur Belastung für Wildbienen geworden sind, hängt vor allem damit zusammen, dass sich die Imkerei aus der Landwirtschaft in den Siedlungsraum und in Naturschutzgebiete verschoben hat.

Im Film kommen beide Seiten zum Wort; die für den Markt produzierende Imkerin als auch die Leute, die diese Entwicklung kritisch einschätzen. Fanden Sie schnell Ihre Gesprächspartner?

Ja, die Protagonistinnen kannte ich alle bereits aus früheren SRF-Produktionen bei «Netz Natur», «Schweiz Aktuell» und «Mission B», wo ich zu den Themen Honigbienen, Wildbienen und Biodiversität berichtet habe. Die Doku erlaubte es mir nun, in die Tiefe zu gehen, die unterschiedlichen Aspekte aufzuzeigen und miteinander zu verknüpfen.

Als Biologin und Journalistin machen Sie nicht nur Filme für SRF, sondern engagieren sich auch bei «Plan Biodivers», ­einem Unternehmen im Kreis 5, das sich für die Förderung der Biodiversität und deren Kommunikation einsetzt. Wie optimistisch sehen Sie die aktuellen Entwicklungen in der Natur rund um uns herum?

Ich sehe im Detail viele positive Entwicklungen. Immer mehr Menschen beginnen die Wichtigkeit und Schönheit von mehr Wildnis und Natur zu erkennen. Menschen in den Städten wünschen sich mehr Grün, mehr Vogelgezwitscher und auch die Privatwirtschaft merkt langsam, dass Biodiversität mindestens genauso wichtig ist wie Klima. Dasselbe gilt für viele Bäuerinnen und Bauern, mit denen ich in meinem Job zu tun habe. Die Feldlerche oder den Neuntöter auf dem eigenen Land zu haben, gilt wieder als Wert, auf den man genauso stolz ist wie auf eine hohe Produktion an Nahrungsmitteln.

Also punktuelle Hoffnungsschimmer ...

Nur in der Politik scheint der Groschen noch nicht gefallen zu sein. Manchmal dünkt es mich fast, als wäre es eine Trotzreaktion, die Biodiversität und den Naturschutz zu schwächen, weil man nun im Klimaschutz gezwungen ist, endlich zu handeln. Dabei ist eine gesunde Biodiversität unsere stärkste Verbündete, wenn es darum geht, mit den Folgen des Klimawandels zurechtzukommen.

Über Isabella Sedivy

Isabella Sedivy (44) ist Biologin und Journalistin und zusammen mit Bettina Walch Mitbegründerin von Plan Biodivers GmbH in Zürich, einem Unternehmen für Umweltkommunikation und Projektplanungen.

Zuvor war sie bei der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und dann beim Schweizer Radio und Fernsehen als Redaktorin von «Netz Natur» und «Schweiz aktuell». Zusammen mit Bettina Walch plante und leitete sie für SRF das Projekt «Mission B».

Isabella Sedivy ist mit ihrer Familie viel in der Natur, aber auch mal zu Pferde unterwegs.

Mehr Infos über Plan Biodivers: www.planbiodivers.ch

«Das Bienendilemma – zwischen Profit und Artenschutz» in der SRF-Mediathek: www.srf.ch/play

Urs Heinz Aerni
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