Tobias Hoffmann
Den lustigsten, weil verschämtesten Satz über Suser findet man in Wikipedia: «Teilweise gegorener Traubenmost enthält zudem Milchsäurebakterien und einen hohen Anteil an den Vitaminen B1 und B2. Er übt einen starken Effekt auf die Funktion des Darms aus, insbesondere auf dessen Peristaltik.» Wir wollen das hier jetzt nicht ausdeutschen, aber vielleicht ist das Peristaltik-Problem der Grund dafür, dass Suser (bzw. «Sauser» oder «Suuser») nicht jedermanns Sache ist. Vielleicht spielt aber da und dort auch ein gewisser Snobismus eine Rolle, denn Suser ist ja noch Traubensaft, süss und hat in den Augen von Weinkennern gar nichts mit Wein zu tun.
Dennoch ist Suser etwas Wertvolles, Rares. Aus einem einfachen Grund: Er ist nicht haltbar und schwierig zu transportieren. Vom pasteurisierten Suser aus dem Supermarkt soll nämlich hier nicht die Rede sein. Der Konsum von Suser findet traditionellerweise eigentlich nur während ein paar Wochen im September und Oktober statt. Zwar haben sich die Kühl- und Transportmöglichkeiten gegenüber früher stark verbessert, aber am besten fühlt sich das Susertrinken nach wie vor an Ort und Stelle der Produktion an: auf dem Weingut.
Gar nicht oder nur von auswärts
Wer nun unter der Leserschaft dem Suser zugeneigt ist und vor veränderter Peristaltik nicht zurückschreckt, möchte vielleicht als Bewohner dieser Stadt wissen, ob auch Stadtzürcher Trauben zu Suser verarbeitet werden. Und wenn ja, wo man diesen kaufen oder in gemütlicher Runde konsumieren kann. Eine gewisse Skepsis ist angebracht: Von den rund 600 Hektaren Rebfläche im Kanton befinden sich nur 14 auf Stadtboden. Das scheint gar knapp, um neben hochwertigem Wein auch noch Suser zu produzieren …
Vonseiten der Stadt, die am Chillesteig in Höngg drei Hektaren bewirtschaftet, heisst es kurz und knapp: «Wir produzieren Wein und haben entsprechend weder Interesse noch Fachwissen beim Thema Suuser.» Johannes Reiners von Landolt Weine hingegen, wo man die drei Rebberge Bürgli, Sonnenberg und Burghalde bewirtschaftet, sagt es etwas marketingbewusster: «Wir sind in der glücklichen Lage, dass sämtliche Weine von unserem Weingut sehr begehrt sind. Daher haben wir keine Mengen an Zürcher Traubensaft zur Verfügung, um ernsthaft eine Suuser-Produktion ins Auge zu fassen.» Zweifel in Höngg mit eigenen Weinen von zwei Lagen produziert laut Paul Keller keinen Suser aus Stadtzürcher Trauben, aber aus Trauben von eigenen auswärtigen Weinbergen.
Die Rettung: ein Hofladen in Höngg
Einen halben Treffer gibt es zuletzt doch noch: beim Wein- und Obsthaus Wegmann, ebenfalls in Höngg (Frankental). Daniel Wegmann schreibt: «Wir verarbeiten die Trauben nicht auf unserem Betrieb. Wir verkaufen den Suuser unserer Trauben aber in unserem Hofladen.»
An etlichen weiteren Orten in der Stadt kann man ausserdem Suser aus dem Kanton kaufen. Am schönsten ist es aber doch – freundliches Wetter vorausgesetzt –, den prickelnden Tropfen im Rahmen der zahlreichen Suuser-Sunntige auf dem Land zu geniessen.