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Stadt Zürich
18.11.2023
20.11.2023 10:11 Uhr

Hoch hinaus für tiefe Mieten

Die beiden Wohntürme an der Hardturmstrasse flankieren das Tramdepot Hard.
Die beiden Wohntürme an der Hardturmstrasse flankieren das Tramdepot Hard. Bild: Tobias Hoffmann
Linderung in Sicht: Zurzeit baut und plant die Stadt 1300 Wohnungen für rund 3500 Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen, also quasi ein ganzes Dorf. Wie nachhaltig aber ist das?

Tobias Hoffmann

Während das Laub sich zu färben und zu fallen begonnen hat, sind in Zürich in den letzten Wochen mehrere Wohntürme kräftig in die Höhe geschossen – Beton spriesst zu allen Jahreszeiten. Die Stadt ist am Höhensturm tatkräftig beteiligt: Gleich zwei Hochhäuser zählt die Siedlung (Tram-)Depot Hard beim Escher-Wyss-Platz – eindrücklich, wie mächtig sich das strassenseitige direkt an der Hardturmstrasse hochreckt. Ein Hochhaus ist in die Siedlung Letzi am Gleisfeld in Altstetten integriert.

Aber auch eine dritte, hochhausfreie städtische Siedlung sei erwähnt, deren Bau schon weiter fortgeschritten ist: Leutschenbach. Sie geht mit zwei gegenübergestellten U-Gebäudekomplexen zwar eher in die Breite, aber wuchtig ist auch sie. Mit den drei Siedlungen sind insgesamt 827 Wohneinheiten im Bau, wie Claudia Naegeli vom Finanzdepartement mitteilt. Sie werden Platz für etwa 2300 Menschen bieten, das sind mehr, als zum Beispiel die gesamte Gemeinde Marthalen Einwohner zählt.

Gegensteuer zu Edelbauten

Die drei genannten Siedlungen sind punkto «Zielpublikum» unterschiedlich ausgerichtet, und sie entstehen in anders gearteten städtischen Kontexten. Ihre ­Gemeinsamkeit ist, dass die Stadt mit ihnen ein Gegengewicht zu den vielen auf Gutverdienende abzielenden Neubauten schaffen will. Leutschenbach ist eindeutig für Familien mit Kindern gedacht; es sollen dort schliesslich 30 bis 40 Prozent Kinder leben. Dazu kommen aber auch moderne Wohnformen wie Wohngemeinschaften, Wohnateliers und Clusterwohnungen.

In den beiden Türmen des Depots Hard werden sich normale Geschosswohnungen befinden, in den Sockelbauten gegen Limmat und Hardturmstrasse hin entstehen kleinere Wohnungen und Town­houses (Maisonettewohnungen). In der Siedlung Letzi schliesslich ist das Hochhaus für Alterswohnungen reserviert, eine der drei Einheiten enthält Wohnungen für kinderreiche Familien.

Das Hochhaus der dreiteiligen Siedlung Letzi in Altstetten wird 24 Geschosse zählen. Bild: Tobias Hoffmann

Kontraste am Albisriederplatz

Wechseln wir noch an den Albisriederplatz: Dort in der Nähe, in einer früher alles andere als schicken Gegend also, findet sich ein Paradebeispiel für Hochpreisarchitektur. Bei einem soeben bezugsbereit gewordenen Blockrandbau fangen die Mietzinsen bei knapp 2000 Franken für eine 30-Quadratmeter-Kleinwohnung an und reichen bis fast 5000 Franken für eine (grosse) 3,5-Zimmer-Wohnung. Die anvisierte Mieterschaft kann eigentlich nur sein: Singles und Dinks (double income no kids).

Als Kontrast dazu entstehen auf der anderen Seite des Albisriederplatzes im städtischen Ersatzneubau Hardau I überwiegend «Familienwohnungen für tiefe bis mittlere Einkommen», wie es auf der Website der Stadt heisst. Der Baubeginn war im September. Der städtische Wohnungsbau geht also über die drei erwähnten «Kolosse» hinaus. Alles in allem sind zurzeit weitere rund 600 Wohnungen im Bau oder in ­Planung.

2025, Jahr des Glücks?

Bei den drei hier vorgestellten Siedlungen ist laut Claudia Naegeli das Bezugsdatum bekannt: viertes Quartal 2024 für Leutschenbach, viertes Quartal 2025 für Letzi und Depot Hard. 2025 könnte also ein Jahr werden, wo viele Familien endlich eine Wohnung mit für ihr Budget verträglichem Mietpreis finden.

Aber die Aussichten sind nicht ganz so rosig: Die Siedlungen Leutschenbach, Letzi und Depot Hard bringen zwar einen grossen Nettogewinn an Wohnungen, da ­ihnen keine älteren Gebäude weichen mussten. Aber Vergleichbares zeichnet sich nicht ab. Es folgen vor allem Ersatzneubauten mit schlechterer Bilanz: Die Siedlung Hardau I etwa weist einen Nettogewinn von nur etwas über 40 Wohnungen auf, bei 80 abgerissenen und 122 neu gebauten Einheiten.

Das Wohnbaudilemma in der Stadt besteht ja nicht zuletzt darin, dass kaum mehr (Industrie-)Brachen vorhanden sind. Die Siedlung Depot Hard über dem Tramdepot ist das beste Beispiel dafür, wie deshalb auf schwierige Grundstücke ausgewichen wird, deren Bebauung logistisch und finanziell fordernd ist.

Tobias Hoffmann
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