Lorenz von Meiss
Für die Politikerinnen und Politiker von FDP, GLP, SVP und Mitte ist klar, dass es mehr Wohnraum braucht – und der Zürcher Stadtrat zu langsam handelt. Die Politik der städtischen Exekutive ziele lediglich auf Subventionen und Verstaatlichungen ab. Gemäss «wohnpolitischem Grundsatzartikel» setzt sich der Stadtrat zum Ziel, bis im Jahr 2050 ein Drittel der Wohnungen in gemeinnützigen Wohnraum umzuwandeln.
Das Initiativkomitee der am 10. Januar publizierten Volksinitiative «Mehr Wohnraum durch Aufstockung – quartierverträglich und nachhaltig» sieht der Erreichung dieses Ziels sehr skeptisch entgegen: «Auch bei einer Erfüllung des Ziels hilft dies nur einem kleinen Teil der Bevölkerung», sagt Përparim Avdili, Gemeinderat und Präsident der FDP Stadt Zürich, an der Medienkonferenz. Nun möchte er die Schaffung von mehr Wohnraum auf einer anderen Ebene angehen.
Für die Bewältigung der grossen Herausforderungen im Zürcher Immobilienmarkt sieht das Initiativkomitee nicht nur ein einziges Mittel zur Lösung: «Die Aufstockungsmöglichkeit von bestehenden Bauten um eine Etage ist jedoch ein wichtiger Lösungsansatz», sagt GLP-Gemeinderätin Selina Frey. Gemäss Frey müssen die Fläche innerhalb der Bauzonen effizienter genutzt werden und die Erholungsräume der Stadt erhalten bleiben. Eine Aufstockung von Gebäuden würde diesen Zielsetzungen Rechnung tragen.
Wie schnell ein Haus dann tatsächlich durch ein weiteres Stockwerk ergänzt werden kann, hängt schlussendlich auch vom Einverständnis des Eigentümers ab: «Wir gehen davon aus, dass es für einen Bauherrn oder Eigentümer attraktiver ist, das Gebäude um ein Stockwerk aufzustocken, als das Gebäude abzureissen», so Mitte-Gemeinderätin Karin Weyermann.
Motion im August gescheitert
Bereits letzten August stimmte der Gemeinderat über eine Aufstockung von Gebäuden in der Stadt Zürich ab. Für SP, Grüne und AL waren Aufstockungen damals aber kein brauchbares Mittel, um mehr Wohnraum zu schaffen.Für AL-Gemeinderat David GarciaNuñez können Aufstockungen ein gutes Mittel gegen die aktuelle Wohnproblematik darstellen. Allerdings seien sie kein Allerweltheilsmittel gegen die aktuelle Wohnmisere. Er kritisiert, dass die bürgerliche gewünschte Aufstockungswelle eine Kündigungswelle sondergleichen nach sich ziehen und teureren Wohnraum hinterlassen würde, teilt Nuñez auf Anfrage mit.
Für Gemeinderätin der Grünen Brigitte Fürer ist die Idee, Bauen im Bestand zu privilegieren, auf den ersten Blick interessant und im Sinn der Grünen. Auf den zweiten Blick jedoch wenig differenziert und plausibel, dass Wohnungen durch Aufstockungen geschaffen werden können. Dass es wenig Aufstockungen gibt, liege gemäss Fürer nicht daran, dass kein zusätzlicher Stock möglich sei. Es brauche mehr preisgünstige Wohnungen und mit der Initiative würde dies nicht erreicht. Dass dies durch die Initiative schneller gehen solle, sei reiner Populismus und blende aus, dass eine solche Änderung die ordentlichen Verfahren für eine Anpassung der Bau- und Zonenordnung durchlaufen müsse, teilt Brigitte Fürer auf Anfrage schriftlich mit.
SP-Gemeinderätin Lisa Diggelmann kritisiert an der Initiative, dass die Immobilienbesitzerinnen und Immobilienbesitzer im Zuge der Aufstockung Luxussanierungen durchführen würden, welche Leerkündigungen nach sich ziehen würden: «Dies führt zu einer Verdrängung und heizt den Immobilienmarkt in der Stadt Zürich weiter an, weil anschliessend erfahrungsgemäss wesentlich höhere Mietzinse verlangt werden. Ebenfalls steigen die Bodenpreise dadurch, was den Immobilienmarkt zusätzlich anheizt», schreibt Diggelmann auf Anfrage.
Die FDP scheiterte damals mit ihrem Anliegen im Gemeinderat mit nur einer Stimme Unterschied und möchte nun darum das Stimmvolk entscheiden lassen. Die für das Zustandekommen der städtischen Volksinitiative nötigen 3000 Unterschriften sollten sich schnell finden lassen. Die Initianten sind sich aber bewusst, dass eine Aufstockung nicht überall möglich ist: «Im Niederdorf und im Seefeld beispielsweise lässt sich nicht so leicht aufstocken, zudem gibt es noch den Denkmal- und Heimatschutz, der dazwischenreden wird», gibt SVP-Gemeinderat Jean-Marc Jung zu bedenken. Und auch bei einer Annahme der Initiative durch das Stimmvolk hätte der Kanton immer noch das letzte Wort.