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Kultur
27.03.2024
28.03.2024 07:50 Uhr

«Wir sind in jeder Probe dem Platz neben Anna nachgejagt»

Sie haben an ihrer neuen Platte «White Lies» fast ein Jahr gearbeitet: die vier Zürcher Musiker Daniel Pinkelnig, Renato Curschellas, Florian Coray und Jonas Treichler (v.l.n.r.) von der Band Chasing Anna.
Sie haben an ihrer neuen Platte «White Lies» fast ein Jahr gearbeitet: die vier Zürcher Musiker Daniel Pinkelnig, Renato Curschellas, Florian Coray und Jonas Treichler (v.l.n.r.) von der Band Chasing Anna. Bild: Sascha Oberholzer
Die Melodien ihrer Songs sind ansteckend und ihre Themen aus dem Alltag gegriffen: Mitte März hat die Zürcher Band Chasing Anna im Musikcafé im X-tra die Plattentaufe ihrer neuen EP «White Lies» gefeiert. Im Interview sprechen die Musiker über ihre Arbeit am Album und ihre Ambitionen.

Patrick Holenstein

Wie habt ihr euch kennengelernt und wie ist Chasing Anna als Band entstanden?
Florian Coray:
Unser Bassist Jonas und ich sind gemeinsam in Wiedikon zur Schule gegangen. Wir haben schon früh in verschiedenen Konstellationen Musik gemacht. Nach einer kleinen Pause, in der wir Wechsel innerhalb der Band hatten und nicht sicher waren, in welche Richtung wir gehen wollen, hat Jonas im Studium nach Sängern und Sängerinnen gesucht. So ist Renato dazugekommen.

Renato Curschellas: Genau, irgendwann fragte er mich, ob ich jemanden kenne, der vielleicht gerne in einer Band singen möchte. Er hat zu diesem Zeitpunkt aber glaube ich nicht direkt an mich gedacht. So hat sich dann eine gemeinsame Probe ergeben. Das hat gut harmoniert und der Anfang dessen war geboren, was späterChasing Anna wurde. Daniel ist letztes Jahr dazugekommen, weil wir am Schlagzeug einen Wechsel hatten. Wir sind sehr happy, wie wir aktuell als Band aufgestellt sind.

Wie ist der Bandname entstanden?
Renato:
Es geht nicht um eine Frau, wie man vermuten könnte, sondern hängt mit unserem alten Bandraum in Kilchberg ZH zusammen, in dem wir mit gemeinsamen Proben begonnen haben. Im Winter war es dort drin brutal kalt, sodass wir mit Skiunterwäsche geprobt haben. Also haben wir uns einen kleinen Heizofen gekauft, der den Produktnamen «Anna» trug. Um wärmer zu haben, wollten wir natürlich alle so nahe wie möglich bei Anna stehen. So sind wir in jeder Probe dem Platz neben Anna nachgejagt  – Chasing Anna halt.

Ihr habt eben die EP «White Lies» abgeschlossen. Wie war die Produktion bzw. die Entstehung der EP für euch?
Florian:
Es war für uns eine völlig neue Erfahrung. Vor allem, weil wir in dieser Produktion erstmals mit einem Produzenten gearbeitet haben. Wir haben mit verschiedenen Produzenten den Kontakt gesucht und sind dann schnell bei Philippe Laffer gelandet. Mit ihm hat es vom ersten Treffen an wunderbar harmoniert. Er wollte das Beste für die EP und hat uns von Beginn an auf diesem Weg begleitet. Philippe ermutigte uns, noch weitere Songs zu schreiben, damit wir anschliessend aus einer grösseren Auswahl die besten Songs auswählen konnten. Bereits dieser erste Vorschlag war entscheidend für den Outcome der heutigen EP.

Renato: Bevor wir uns zu diesem Schritt entschieden haben, war schon Skepsis da, sich auf jemand «Fremdes» einzulassen. Der Gedanke, wie viel man abgeben muss und wie viel man noch selbst entscheiden kann, stand schon im Raum. Die eigene Vision umzusetzen, war uns wichtig. Die Inputs von Philippe zeigten rasch, dass er eher gewisse Dinge zur Diskussion öffnete, Vorschläge machte und die finale Entscheidung aber uns überliess. Das war sehr wertvoll, weil jemand objektive Anmerkungen darüber einbrachte, wie gut etwas funktionieren konnte. Ich denke, es ist wichtig und hat bei uns gut geklappt, dass man die neuen Inputs nicht per se abweist, da es als Songwriter teils schwer ist, die Songs noch unabhängig und mit offenen Ohren zu beurteilen. Jemand, der einen Song das erste Mal hört, nimmt ihn ganz anders wahr. Wir haben daher viele Ideen und Inputs von Philippe umgesetzt. Wir haben die Zusammenarbeit sehr geschätzt und sind super happy mit dem Resultat.

Wie lange dauerte der Aufnahmeprozess?
Florian:
Wir haben nicht alles im Studio aufgenommen, also nicht ein fixes Fenster von zwei Wochen eingeplant, um alles im Kasten zu haben. Neben den Studio-­Sessions haben wir auch einen Teil zu Hause aufgenommen. Für die Vocals hat uns Philippe extra Equipment geliehen, damit wir gut arbeiten können. Wir haben das sehr geschätzt, da es nicht selbstverständlich ist. Durch diese Vorgehensweise hat sich der Prozess dann aberetwas verzettelt.

Renato: Mit allen Unterbrüchen haben wir fast ein Jahr daran gearbeitet. Mal war Philippe ausgebucht, dann hatten wir nicht die Kapazität und so verpassten wir uns immer wieder.

Wie schreibt ihr Songs? Beginnt ihr zusammen oder arbeitet erst jeder für sich und bringt Ideen in die Band ein?
Renato: Oft skizzieren Florian oder ich ­einen Refrain oder eine Strophe und wenn klar ist, wohin der Song gehen soll, schicken wir uns die Ideen gegenseitig zu. Manchmal ist die andere Person dann gleich inspiriert und kann den Song ergänzen. So geht das dann hin und her. Manchmal probieren wir auch im Proberaum gemeinsam, wie sich eine Idee entwickelt. Weil wir bei der EP stark auf das Songwriting gesetzt und dafür zehn Songs geschrieben haben, um auswählen zu können, sind viele Songs gemeinsam entstanden.

Seid ihr euch schnell einig bei der Entwicklung eines Songs oder gibt es viele Diskussionen?
Renato: Meistens merkt man schon beim Arbeiten, wie begeistert die anderen von einer Idee sind, und man beginnt allenfalls nach neuen Ansätzen zu suchen. Aber irgendwann passt es und dann weiss man: «Jetzt haben wir einen guten Ansatz gefunden.» Grosse Diskussionen haben wir nicht, weil jeder Inputs bringen kann und wir ehrlich die Meinung sagen dürfen. Meistens sind wir uns schnell einig.

Florian: Das sehe ich auch so. Weil wir viele verschiedene Songs geschrieben haben, fand jeder seine Sparte, die ihm besonders zusagt. Wir holen unsere Inspiration zudem gar nicht aus so unterschiedlichen Welten und sind dadurch schnell auf einer Schiene.

In eurer Musik passiert zwar musikalisch viel, aber nie wirkt ein Song überladen. Wie schwierig ist es, diesen Mix zu treffen?
Florian: Überladen ist ein gutes Stichwort bei uns.

Renato: Definitiv. Uns ist aber sehrbewusst, dass wir manchmal zu viel reinpacken. In Zukunft versuchen wir schon zu reduzieren. Genau hier ist auch Philippe eingeschritten und meinte oft, dass dieses und jenes nicht nötig sei. So haben wir einen Punkt gefunden, an dem zwar viel passiert, der aber nicht zu überladen ist.

Was alle Songs gemeinsam haben, ist eine Leichtigkeit in der Musik, eine fast sommerliche Klangfarbe. Ist das klar euer Ziel oder ist das eher unbewusst passiert?
Florian: Diese Leichtigkeit mit Up-Beats und Good Vibes anzusteuern, war schon bewusst das Ziel. Es freut mich, dass es so rüberkommt.

Renato: Weil wir zum ersten Mal eine EP mit zusammenhängenden Songs gemacht haben, war uns schon wichtig,ein harmonisches Stimmungsbild zu schaffen. Sonst müssten wir keine EPmachen. Als die ersten Songs standen, etwa «Rewind», der dieses Gefühl vielleicht am stärksten verkörpert, war klar, dass wir uns gefühlsmässig sehr bewusst in diese Richtung bewegen.

Gleichzeitig bleiben die Texte nicht oberflächlich. Etwa in «White Lies», der als Spiegelbild für die Produktion der EP, mit kleinen Schwierigkeiten, gelesen werden kann. Täuscht dieser Eindruck?
Renato: Das ist auf jeden Fall so. Wenn sich etwas hinzieht, ist es oft schwierig, dranzubleiben und nicht die Produktion aus den Augen zu verlieren. Das ist uns teilweise passiert, weil halt manchmal dasLeben neben der Musik im Weg war. Diese Thematik des Kampfes gegen den Alltagstrott und für die Leidenschaft wird im Song «White Lies» schon ange­sprochen.

Wie habt ihr eine Lösung gefunden, um dranzubleiben?
Florian: Es war viel gegenseitige Motivation dabei. Wenn jemand keine Zeit hatte, ist ein anderer eingesprungen undhat mehr gemacht und natürlich auch umgekehrt. Wenn jemand etwas mega Cooles geschrieben hat, will ich selbst auch wieder und finde so die Motivation. Das hat mir sehr geholfen.

Renato: Ich glaube auch, dass die anderen Bandmitglieder einen so anspornen,dass man wieder Lust bekommt. «As It Was» haben wir ziemlich am Ende der Produktion geschrieben, weil Florian noch mit dieser Idee kam. Eigentlichwar es zu spät, aber plötzlich waren wirwieder Feuer und Flamme und haben alle noch unsere Inputs dazugegeben.

Ich höre immer wieder, dass es für Bands schwierig sei, bei Radios gespielt zu werden oder allgemein gehört zu werden. Ihr zielt sehr bewusst darauf ab, Airplay zu bekommen.
Florian: Bei den Radiosendern läuft eserstaunlich gut oder besser, als wir je erwartet hätten. Ziemlich schnell durften wir bei SwissPop auf der Rotation sein und das hat uns angespornt, weiterzuarbeiten. Was bei uns etwas schwieriger ist, sind Liveauftritte. Wir versuchen, noch mehr live zu spielen, was aktuell etwas schwieriger ist. Aber bei den Radios läuft es ziemlich gut.

Renato: Bei den grossen Sendern ist es aber nochmals schwieriger, in die Rotation zu kommen, daran arbeiten wir aber, das ist schon ein Ziel. Kürzlich hat mirjemand geschrieben, weil wir im Radio gelaufen sind. In solchen Fällen bin ich immer noch sehr aufgeregt. Dass wir im Radio laufen, finden wir mega cool. In der Schweiz ist das vermutlich der Markt, den du erreichen willst. Bei Spotify ist es schwierig, auf gute Zahlen zu kommen.

Ihr habt im März im Musikcafé im X-tra die Plattentaufe gefeiert. Wie fiel die Wahl auf das Musikcafé?
Florian: Wir hatten verschiedene Ideen, wollten aber in unserem Rahmen bleiben. Unser Bandraum ist direkt neben der Amboss-Rampe, also haben wir dort reingeschaut, merkten aber rasch, dass es schwierig werden dürfte, den Raum zu füllen. So sind wir über andere Bands im Musikcafé gelandet und es hat uns sehr zugesagt. Die Grösse ist ideal und Sandy, die die Location betreibt, ist super sympathisch und unkompliziert. Das X-tra befindet sich zudem in unserem Bandraumquartier und darum passte das gut.

Renato: Für uns war der Raum mit einer Kapazität von etwa 100 Personen ideal und die Stimmung war wahrscheinlich besser als in einem grösseren Saal, der nur halb voll wäre. Die EP-Taufe war ein voller Erfolg. Wir hatten einen riesigen Spass und das Publikum hat mitgetanzt und mitgesungen, das hat uns richtig beflügelt. Wir werden den Abend nicht so schnell vergessen. Es lagen irgendwie einfach viele positive Vibes in der Luft. Am liebsten würden wir das Ganze gleich wiederholen.

Was ist nach der Taufe weiter geplant?
Florian: Das Ziel ist schon, möglichst viel live zu spielen. Wir haben grossflächig Festivals angeschrieben. Bei vielen ist die Planung schon fast durch, aber bei einigen sind wir noch in Abklärung. Ansonsten schauen wir, wo der Weg hinführt. Vielleicht landen wir schon rasch wieder beim Songwriting und springen wieder auf dieses Pferd auf.

Dieses Interview entstand in Zusammenarbeit mit dem Zürcher Online-Kultur-Magazin Bäckstage.ch

Patrick Holenstein