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Kultur
10.04.2024
10.04.2024 14:21 Uhr

Wo nichts mehr geht, fängt alles an

Die Atmosphäre Liverpools bot den drei Musikern den nötigen Platz für Spontanität, während sie an ihren Songs für «Best Days» arbeiteten.
Die Atmosphäre Liverpools bot den drei Musikern den nötigen Platz für Spontanität, während sie an ihren Songs für «Best Days» arbeiteten. Bild: zvg
Lange Zeit war es ruhig um die Band Baba Shrimps. Die Gründung des eigenen Musiklabels und die kulturellen Corona-Einschränkungen setzten Leadsänger Adrian Kübler derart zu, dass die Band sich aufzulösen drohte. Eine Reise nach Portugal und viel Selbstbesinnung halfen, dies zu verhindern.

Die drei Musiker der Zürcher Band Baba Shrimps haben zurzeit alle Hände voll zu tun. Radio- und Fernsehinterviews, Spontankonzerte und die Promo-Tour für das Anfang März erschienene Minialbum «Best Days» halten die drei Freunde aktuell ganz schön auf Trab. Fast täglich spielt die Band an einem anderen Ort in der Schweiz und am 23. April steht gar ein Auftritt in München auf der Tour-Agenda.

Mit «Best Days» bringt die Indie-Pop-Band fünf Tracks heraus, in denen viel Melancholie und Improvisation steckt. Anders als bei früheren Alben hatte Leadsänger Adrian Kübler bei der Entstehung der Songs keine festen Ideen im Kopf, welche Elemente in die Songs einfliessen sollen: «Jeder von uns kam mit einem leeren Papier in den Bandraum und wir haben begonnen, gemeinsam zu jammen, und liessen uns überraschen, was daraus entsteht», sagt Kübler.

Ihre Idee war es, dass nicht jeder Song von Anfang an perfekt sein muss, und der nötige Platz für Spontanität ermöglichte es den Musikern so, ohne Druck an ihren neuen Songs zu arbeiten. Für die gemeinsamen Jamsessions reisten die Musiker hierfür nach Liverpool im Nordwesten Englands. Die Stadt ist bekannt für ihre kreative Musikszene, der unter anderem die Beatles, aber auch andere international erfolgreiche Musiker, entsprangen. Die Band sog den Lifestyle der pulsierenden Hafenstadt förmlich in sich auf und liess sich von Begegnungen mit neuen Menschen inspirieren. So gab es unweit des gemieteten Proberaums ein Café, das die Musiker mit köstlichem Cappuccino versorgte. Im Café arbeitete eine Barista, die die drei Musiker mit ihrem Wesen verzauberte. Kurzerhand entschloss die Band, ihr, Ruby, einen eigenen Song zu widmen, der als Musiktitel «Ruby» in der aktuellen EP (Extended Play) verewigt wurde.

Die kreative Atmosphäre Liverpools erwies sich als idealer Nährboden für das musikalische Schaffen der Band: «Abends wollten wir nicht beurteilen, ob der musikalische Output des Tages gut oder schlecht war. Hauptsache, wir haben gemeinsam an etwas gearbeitet», sagt ­Adrian Kübler.

Gründung des eigenen Labels

Die laufende Tour kann als kleiner Neuanfang der Band angesehen werden, denn für Baba Shrimps gab es auch Zeiten, in denen nicht alles so rund lief wie während der aktuellen Tour. Ende 2019 trennte sich die Band von ihrem damaligen Label Sony Music: «Seit der Bandgründung sind unsere Interessen und die Interessen von Sony Music immer weiter auseinandergedriftet», erklärt Adrian Kübler. Die Folge war, dass die Band erstmals ohne Partner dastand und sich überlegen musste, wie es nun weitergeht.

Die drei Musiker beschlossen, alle anstehenden Label-Aufgaben, von der Musikproduktion über die Promotion bis hin zur Vervielfältigung ihrer Musik, künftig in die eigenen Hände zu nehmen, und gründeten das Label Grizzly AG mit Sitz in Zürich. Für die Band änderte dies alles, denn in Zukunft galt es für die Musiker, nicht nur gute Musik zu produzieren, sondern sich gleichzeitig Gedanken darüber zu machen, wie sich ihre Musik am besten vermarkten lassen: Kübler meint dazu: «Innerhalb der Band mussten wir erst einmal bestimmen, wer in Zukunft welche Aufgaben übernimmt. Dies führte zu viel Diskussionen unter uns.»

Ausgerechnet in dieser Zeit wurde die Musikband noch mit Problemen anderer Art konfrontiert, denn Ende Februar 2020 erliess der Bundesrat wegen der grassierenden Coronapandemie ein schweizweites Verbot für Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen. Als Folge waren Veranstalter damals gezwungen, ihre Events reihenweise abzusagen. Um sich von der Pandemie nicht komplett in die Knie zwingen zu lassen, hatten die Musiker von Baba Shrimps eine Idee, um auch in schwierigen Zeiten für ihre Fans da zu sein. Sie spielten kurzerhand eine Reihe von Spontankonzerten, an welchen die Band unter freiem Himmel vor kleinem Publikum auftrat.

Zeit für Veränderung

Doch die erschwerenden Umstände von damals setzten dem Leadsänger von Baba Shrimps immer mehr zu und führten dazu, dass er begann, sein Musizieren in Frage zu stellen: «Plötzlich hatte ich das Gefühl, musikalisch nichts mehr auf die Reihe zu bekommen, und verlor die Motivation, weiter Musik zu machen.»

Natürlich bekamen seine beiden Bandkollegen, Drummer Moritz Vontobel und Keyboarder Luca Burkhalter seine getrübte Gefühlslage mit und die Zusammenarbeit innerhalb der Band hat darunter gelitten. Als die Situation im Studio eines Tages ausser Kontrolle geriet und Adrian seine Gitarre wutentbrannt in die Ecke warf, wussten die Musiker, dass es an der Zeit war, etwas zu ändern, um eine Bandauflösung abzuwenden.

Adrian Kübler zog damals die Reissleine und beschloss, dass er nun Zeit für sich selbst braucht. Kurzerhand reiste er nach Portugal und lief auf dem berühmten Fischerpfad «Rota vicentina» bis an die Atlantikküste: «Mit jedem Schritt löste sich mein Kopfkarussell mehr und ich begann mich selbst, weniger wichtig zu nehmen.» Zwei Wochen war er in der wenig besiedelten und ländlichen Landschaft des Rota vicentina unterwegs, um sich klar zu werden, wie es in Zukunft weiter gehen soll. Auf den unzähligen Kilometern, die er auf dem Fischerpfad zurücklegte, merkte er, wie er die Band und seine Musik vermisste und dass eine Auflösung der Band für ihn nicht in Frage kam.

Gleichzeitig bekam er wieder Lust, Musik zu machen. Von Portugal aus schrieb er seinen Bandkollegen eine Textnachricht und schlug Ihnen den Aufenthalt in Liverpool vor, um dort die Leidenschaft fürs gemeinsame Musizieren wieder zu entfachen. Moritz und Luca waren mit seinem Vorschlag einverstanden.

Nach dem Motto: «Wo nichts mehr geht, fängt alles an», nutzten Baba Shrimps die Tage in Liverpool, um sich musikalisch neu auszurichten. Der Filmemacher und Fotograf Olivier Walther begleitete die drei Musiker aus Zürich während ihrer Zeit in Liverpool und beleuchtete auch die schwierigen Zeiten, denen sich die Bandmitglieder zu stellen hatten. Entstanden ist die rund 14-minütige Dokumentation mit dem Titel: «The journey of best days».

Der Film zeigt viele Aufnahmen aus der Stadt Liverpool und ermöglicht es dem Zuschauenden, sich in die Stimmung zu versetzen, in denen sich die drei Musiker dort befanden. Für die Zukunft von Baba Shrimps wünscht sich Adrian Kübler, den Spagat zwischen eigenem Musiklabel und dem Schaffen von neuer Musik bestmöglich hinzukriegen. Die musikalischen Erfolge, die sich die Band in 10 Jahren erarbeitet hatten, haben die Musiker in ihrem Glauben bestärkt, dass es sich lohnt, weiterzumachen, auch wenn man sich einmal in ­einer Sackgasse befindet.

Adrian Kübler neben der aktuellen Platte «Best Days» in den Räumlichkeiten des eigenen Musiklabels «Grizzly AG» in Zürich. Bild: Lorenz von Meiss
Lorenz von Meiss