Tobias Hoffmann
Zürich setzt dem häufigen Himmelsgrau vielfaches Strassenblau entgegen: Seit dem 19. Juli sind an 36 Tram- und Bushaltestellen auffällige blaue Markierungen zu finden, die aus einer Abfolge von (Halb-)Kreisen gebildet sind. Der eine Halbkreis trägt die Aufschrift «Museumsnetz Zürich» und einen QR‑Code. Wenn man den Blick nach oben wendet, erkennt man die gleiche Aufschrift auf einer blau-weissen Tafel, die den Haltestellenschildern aufgesetzt ist. Sieht man sich an solchermassen gekennzeichneten Haltestellen um, hat man allerdings nicht den Eindruck, dass die Markierungen die Leute neugierig machen. Der Schreibende hat noch niemanden entdeckt, der das Handy gezückt und den Code fotografiert hätte.
Aus der Linie wird ein Netz
Aber das kann noch kommen. Denn die Stadt, die hinter den Markierungen steckt, wirbt mit Hängekartons in den Trams und mit Plakaten an den Haltestellen für das Museumsnetz. Die auf zwei Jahre angelegte Kampagne hat zum Ziel, die Vielfalt der Zürcher Museumslandschaft ins Bewusstsein der Bewohner und Besucherinnen zu rücken. Zürich zählt über 50 Museen, weshalb man im Präsidialdepartement der Meinung ist, Zürich sei auch eine Museumsstadt. Was man durchaus so stehen lassen darf. Wobei zu den über 50 auch die klitzekleinen und eher kuriosen gezählt werden. Jedoch nur solche, bei denen es sich laut Stadt «um dauerhafte Einrichtungen mit fixen oder wechselnden Ausstellungen handelt und die aufgrund regelmässiger Öffnungszeiten für Besuchende gut zugänglich sind».
Bevor hier aufgeklärt wird, wozu uns der QR‑Code verführen will, soll kurz die Vorgeschichte der Kampagne aufgerollt werden. Vor fast genau zwei Jahren kündigte die Stadt ein Projekt an, das «die Wahrnehmung Zürichs als Museumsstadt stärken» wollte. Angedacht war eine «Museumslinie 4». Die Tramlinie 4 nämlich, so hatte man festgestellt, verbindet über 20 und damit mehr als einen Drittel aller Zürcher Museen miteinander, vom Seefeld über die Innenstadt bis zum Industriequartier. Eineinhalb Jahre später wurde das Projekt jedoch obsolet: Die Verkehrsbetriebe Zürich präsentierten auf das Jahr 2026 hin eine Umstrukturierung des Liniennetzes. Die Linie 4 wird dann ab Bellevue zur Rehalp führen und dabei helfen, den Spitalcluster beim Balgrist besser zu erschliessen. Sechs Museen im Seefeld wären bei der Museumslinie 4 weggefallen.
So ist nun aus einer Museums-Paradelinie ein gesamtstädtisches Museumsnetz geworden. Auch der Paradeplatz ist einbezogen ... Wobei «gesamtstädtisch» nicht ganz stimmt. Auf der Website der Kampagne kann man erkennen, wie ungleich die Museen in der Stadt verteilt sind. Geballt findet man sie im Zentrum, einigermassen mithalten können das Seefeld, die Enge und das Industriequartier. Aber in Wiedikon, Aussersihl, Altstetten und im ganzen Norden erstrecken sich ausgedehnte Museumswüsteneien. Dort gibt es folglich auch nichts Blaues am Boden.