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Stadt Zürich
24.07.2024
27.07.2024 19:25 Uhr

Ein Museumsnetz mit Löchern

Seit dem 19. Juli sind an 36 Tram- und Bushaltestellen auffällige blaue Markierungen zu finden.
Seit dem 19. Juli sind an 36 Tram- und Bushaltestellen auffällige blaue Markierungen zu finden. Bild: Tobias Hoffmann
In den kommenden zwei Jahren wird der Zürcher Asphalt durch blaue Tupfer aufgelockert. Sie finden sich an 36 Haltestellen des Tram- und Busnetzes und sollen auf die Vielfalt der städtischen Museumslandschaft verweisen.

Tobias Hoffmann

Zürich setzt dem häufigen Himmelsgrau vielfaches Strassenblau entgegen: Seit dem 19. Juli sind an 36 Tram- und Bushal­testellen auffällige blaue Markierungen zu finden, die aus einer Abfolge von (Halb-)Kreisen gebildet sind. Der eine Halbkreis trägt die Aufschrift «Museumsnetz Zürich» und einen QR‑Code. Wenn man den Blick nach oben wendet, erkennt man die gleiche Aufschrift auf einer blau-weissen Tafel, die den Haltestellenschildern aufgesetzt ist. Sieht man sich an solchermassen gekennzeichneten Haltestellen um, hat man allerdings nicht den Eindruck, dass die Markierungen die Leute neugierig machen. Der Schreibende hat noch niemanden entdeckt, der das Handy gezückt und den Code fotografiert hätte.

Aus der Linie wird ein Netz

Aber das kann noch kommen. Denn die Stadt, die hinter den Markierungen steckt, wirbt mit Hängekartons in den Trams und mit Plakaten an den Haltestellen für das Museumsnetz. Die auf zwei Jahre angelegte Kampagne hat zum Ziel, die Vielfalt der Zürcher Museumslandschaft ins Bewusstsein der Bewohner und Besucherinnen zu rücken. Zürich zählt über 50 Museen, weshalb man im Präsidialdepartement der Meinung ist, Zürich sei auch eine Museumsstadt. Was man durchaus so stehen lassen darf. Wobei zu den über 50 auch die klitzekleinen und eher kuriosen gezählt werden. Jedoch nur solche, bei denen es sich laut Stadt «um dauerhafte Einrichtungen mit fixen oder wechselnden Ausstellungen handelt und die aufgrund regelmässiger Öffnungszeiten für Besuchende gut zugänglich sind».

Bevor hier aufgeklärt wird, wozu uns der QR‑Code verführen will, soll kurz die Vorgeschichte der Kampagne aufgerollt werden. Vor fast genau zwei Jahren kündigte die Stadt ein Projekt an, das «die Wahrnehmung Zürichs als Museumsstadt stärken» wollte. Angedacht war eine «Museumslinie 4». Die Tramlinie 4 nämlich, so hatte man festgestellt, verbindet über 20 und damit mehr als einen Drittel aller Zürcher Museen miteinander, vom Seefeld über die Innenstadt bis zum Indus­trie­quartier. Eineinhalb Jahre später wurde das Projekt jedoch obsolet: Die Verkehrsbetriebe Zürich präsentierten auf das Jahr 2026 hin eine Umstrukturierung des Liniennetzes. Die Linie 4 wird dann ab Bellevue zur Rehalp führen und dabei helfen, den Spitalcluster beim Balgrist besser zu erschliessen. Sechs Museen im Seefeld wären bei der Museumslinie 4 weggefallen.

So ist nun aus einer Museums-Paradelinie ein gesamtstädtisches Museumsnetz geworden. Auch der Paradeplatz ist einbezogen ... Wobei «gesamtstädtisch» nicht ganz stimmt. Auf der Website der Kampagne kann man erkennen, wie ungleich die Museen in der Stadt verteilt sind. Geballt findet man sie im Zentrum, einigermassen mithalten können das Seefeld, die Enge und das Industriequartier. Aber in Wiedikon, Aussersihl, Altstetten und im ganzen Norden erstrecken sich ausgedehnte Museumswüsteneien. Dort gibt es folglich auch nichts Blaues am Boden.

Von dieser Haltestelle ist das Völkerkundemuseum nur wenige Schritte entfernt. Bild: Tobias Hoffmann

Nutzerfreundlichkeit: optimierbar

Um den Praxistest zu machen, gehen wir vom Paradeplatz eine Haltestelle weiter zur Sihlstrasse. Hier müsste, wie der Schreibende ahnt, auf das Völkerkundemuseum aufmerksam gemacht werden, das zweimal um die Ecke und nicht mehr als 150 Meter entfernt an der Ecke Pelikan-/Talstrasse liegt. In der Tat leuchten einem die blauen Markierungen entgegen. Man beugt sich mit der Handy­kamera über den QR‑Code – und landet auf der Website des Museumsnetzes. Und jetzt? Von einem Hinweis auf die angrenzenden Museen keine Spur.

Auf Nachfrage beim Präsidialdepartement bestätigt Nadine Markwalder, dass der QR‑Code nur auf die Homepage führt. Und gibt folgenden Tipp: «Danach können Sie in der Auswahlliste unten auf ‹Karte› klicken. Wenn Sie dann Ihren Standort freigeben, werden die Museen in der Nähe angezeigt.» Ein bisschen enttäuschend ist das schon. Auf die Frage, warum die QR‑Codes nicht spezifischer ausgestaltet wurden, bleibt die Antwort aus.

Museumsnetz-Website: www.museumsnetz-zuerich.ch

Tobias Hoffmann/Zürich24