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Zürich Nord
03.10.2024
03.10.2024 13:45 Uhr

Grosse Kunst, gut versteckt

Zu Füssen eines grossen Mannes: Zehn kulturbeflissene Damen von der Alterssiedlung Seebach freuen sich über Kunst im Quartier..
Zu Füssen eines grossen Mannes: Zehn kulturbeflissene Damen von der Alterssiedlung Seebach freuen sich über Kunst im Quartier.. Bild: Hartmuth Attenhofer
Der Plastiker Hans Josephsohn wurde von der Stadt Zürich im Jahr 2003 mit dem Kunstpreis geehrt. Eine zusätzliche Ehrung hat er nun durch den Besuch von zehn Seebacherinnen erfahren, die sich seinen «Mann» aus der Nähe besahen.

Hartmuth Attenhofer

Seebach ist immer wieder für eine Überraschung gut. Die neueste ist eine Trouvaille ganz hinten am Ende der Ettenfeldstrasse: Auf einem mächtigen Sockel steht eine überlebensgrosse männliche Skulptur, eine künstlerische Plastik. Sie stellt einen ziemlich geradestehenden Mann dar, der ruhig vor sich hinblickt. Geschaffen hat das Kunstwerk der Bildhauer Hans Josephsohn (1920–2012); für sich entdeckt haben das zehn muntere Damen aus der Alterswohnsiedlung Seebach. Sie waren der Einladung eines Mitbewohners gefolgt, der ihnen den Bildhauer Josephsohn etwas näher gebracht hat.

Internationale Ausstellungen

Die in Metallguss ausgeführte Plastik trägt den simplen Titel «Mann», wobei nicht einmal klar ist, ob der Künstler ihn so genannt hat. Jedenfalls wurde die Skulptur auch schon als «Arbeiter» benannt. Es gibt ein paar wenige vom Künstler selber gefertigte Kopien, die vielerorts gezeigt werden. 2023, also elf Jahre nach Josephsohns Tod, gab es eine grosse Ausstellung seiner Werke in Berlin und eine weitere 2019 in Mailand. In Giornico, Kanton Tessin, steht sogar ein eigenes Josephsohn-Museum. Von Hans Josephsohn stammen auch die drei mächtigen «Liegenden» auf dem Areal der Schule Im Birch in Örlikon, die als «Kunst am Bau» von der Bauherrin, der Stadt Zürich, ­finanziert wurden. Auf diesen sitzen zuweilen die Schülerinnen und Schüler – aber nur kurz, denn die grob gehauene Oberfläche kratzt zu sehr an der zarten Haut der Jugend.

Hans Josephsohn wurde von der Stadt Zürich im Jahr 2003 mit dem Kunstpreis geehrt. Eine zusätzliche Ehrung hat er nun durch den Besuch der reifen zehn Seebacherinnen erfahren, die sich seinen «Mann» aus der Nähe besahen. Aber warum steht die Skulptur eigentlich so weitab vom Publikumsverkehr? Warum stellt die Stadt den markanten «Arbeiter» nicht an einen stark frequentierten Ort? Die Antwort ist einfach: Die Stadt hat nichts damit zu tun. Die Skulptur ist privat aufgestellt worden. Die Seebacher Elektrofirma Compagnoni hat sie sich vors Haus gestellt. Das Besondere daran? Andere stellen sich Kunst in den eigenen Garten, was Besitzer und Künstler freuen mag, aber kaum jemand sieht. Compagnoni macht aber allen Freude, meinten die zehn Seebacher Frauen anerkennend auf ihrer kleinen Kulturreise.

Hartmuth Attenhofer