Es gibt gewisse Alltags-Themen, bei denen gehen die Wogen hoch. Eines davon sind die Entsorgungs-Coupons von Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ). Aktuell immerhin gegen 100 Franken teuer sind die vier Wertcoupons, die jeder Haushalt die letzten Jahre ungefragt bekam. Und nun dies: Das Tiefbaudepartement von Stadträtin Simone Brander (SP) hatte beschlossen, diese Coupons abzuschaffen, um das Zürcher Recycling-Regime den Gesetzen anzupassen, wie es hiess. Der Gemeinderat hingegen war gegen eine sofortige Abschaffung und überwies daraufhin einen entsprechenden Vorstoss an die Stadtregierung. Stossrichtung: Man solle den Entscheid nochmals überdenken.
Enttäuschende Post im Briefkasten
Als Einwohnerin oder Einwohner hat man in den letzten Tage zwar wiederum Post bekommen von ERZ, doch auf Coupons wartete man vergeblich. Einzig einen Gutschein für einen Gebührensack mit 10 Liter Volumen, also die kleinste Variante, bekam man noch geschenkt. Für ERZ ein normaler Vorgang. Denn «die Entsorgungs-Coupons waren nie gratis, sondern wurden über die Abfall-Grundgebühren von allen Stadtzürcher Haushalten und Betrieben finanziert», heisst es auf Anfrage. Dies habe dem Umweltschutzgesetz des Bundes widersprochen, das eine verursachergerechte Finanzierung der Entsorgung von Abfall vorschreibe. Dies die Info von ERZ. Die Amtsstelle spricht rückblickend durchaus selbstkritisch von eigenem illegalen Handeln. Vor diesem Hintergrund sowie dem angestrebten Netto-Null-Ziel habe die Stadt die Verteilung der Entsorgungs-Coupons nun eingestellt. «Die Entsorgungs-Coupons widersprechen dem Ziel, Abfall zu vermindern und vermeiden, weshalb sie nicht mehr zeitgemäss sind», so ERZ.
Gegenwert 20 Millionen Franken
Dabei sparte die Bevölkerung mit den Coupons zumindest auf den ersten Blick einiges an Geld. Erstmals rückte ERZ nun die genauen Zahlen heraus. «In den letzten Jahren wurden jährlich über 1 Million Entsorgungs-Coupons an die Stadtzürcher Haushalte verteilt. Während in den Jahren 2021 und 2022 der Gegenwert der verteilten Entsorgungs-Coupons rund 30 Millionen Franken betrug (Gebühr von 27.90 Franken für die ersten 100 Kilogramm Sperrgut), betrug der Gegenwert im Jahr 2023 rund 20 Millionen Franken (Gebühr von 21 Franken für die ersten 100 Kilogramm Sperrgut)», so ERZ. Der verringerte Gegenwert sei auf die gesenkte Gebühr für 100 Kilogramm Sperrgut von 2022 auf 2023 zurückzuführen, so ERZ.
Dabei habe die Rücklaufquote der eingelösten Entsorgungs-Coupons über die letzten Jahre konstant bei rund 10 Prozent gelegen. Der Gegenwert der in den Jahren 2021 und 2022 eingelösten Coupons betrug jeweils rund 3 Millionen Franken, im Jahr 2023 dann noch rund 2 Millionen Franken. Die respektable Zahl zeigt sich, indem die Einnahmen durch private Entsorgungen in den beiden Recyclinghöfen in den letzten Jahren pro Jahr jeweils nur rund 1 Million Franken betrugen.
Mobile Recyclinghöfe als Alternative
Doch was passiert nun? Sinken die Steuern? Kosten die Abfallgebühren künftig weniger? ERZ hat eine eigene Erklärung: «Auch wenn keine Coupons mehr verteilt werden, wird der Bevölkerung nichts weggenommen – im Gegenteil, das Entsorgungsangebot wird ausgebaut». Das Cargo-Tram, E-Tram und der mobile Recyclinghof halten bereits heute an 19 Standorten in der Stadt Zürich.
Kritik etwa von Gemeinderat Martin Bürki
Ab 2026 soll der mobile Recyclinghof die Entsorgungstrams, die altersbedingt ausgemustert werden, ablösen und stadtweit an bis zu 30 Standorten Halt machen. Die Abfallverordnung der Stadt Zürich sieht vor, solche dezentralen Entsorgungsmöglichkeiten kostenlos anzubieten. Entsprechend sind der mobile Recyclinghof sowie das Cargo-Tram und E-Tram kostenlos und zu Fuss, mit dem Velo oder den öffentlichen Verkehrsmitteln im Quartier zugänglich.
Doch genau das kritisieren Politiker wie Gemeinderat Martin Bürki (FDP). Zumindest bis das erwähnte, ausgebaute Angebot stehe, dürfe ERZ nicht auf die Abgabe der Coupons verzichten. «Alles andere ist Zwängerei», so Bürki zur NZZ. Was dazu kommt: Wer mit dem Auto kommt – und sei es auch nur ein politisch eher unverdächtiges, gemietetes «Mobility»-Fahrzeug – muss künftig blechen: In den beiden Recyclinghöfen Looächer und Werdhölzli kann laut der Stadt zwar weiterhin entsorgt werden, doch «gegen die gesetzliche Gebühr». Diese beträgt gemäss einem NZZ-Artikel pro 100 Kilogramm Abfall 20 Franken. Was früher bis 400 Kilogramm nichts kostete, belastet nun das Haushaltsbudget mit 80 Franken.
Wachsen die Abfallberge nun?
Immerhin: Was schon lange geht, man telefoniert ERZ und bietet einen speziellen Abholdienst auf. Er kostet mindestens 86 Franken – und nochmals so viel, wenn das Aufladen des Abfalls länger als eine Viertelstunde dauert. Das kann durchaus vorkommen, denn erfahrungsgemäss zieht Sperrgut vor dem Haus Nachahmer an, die auch noch etwas wegzuschmeissen haben. Gerade künftig, wenn es keine Entsorgungscoupons mehr gibt.