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Kanton Zürich
26.06.2023
26.06.2023 07:45 Uhr

Mit bald 80 Jahren noch fit für die Lüfte

Ein glänzender Blickfang zum Jubiläum des Erstfluges am 14. Juni 1948: Die DC-3 am Klotener Dock B, von der rund 16 000 Maschinen gebaut wurden. Mit ihr fing das Zeitalter der Passagierflüge an.
Ein glänzender Blickfang zum Jubiläum des Erstfluges am 14. Juni 1948: Die DC-3 am Klotener Dock B, von der rund 16 000 Maschinen gebaut wurden. Mit ihr fing das Zeitalter der Passagierflüge an. Bild: Roger Suter
Hans Jörg Herzog hat zum Jubiläum des Erstfluges ab Kloten eine Douglas DC-3 mit der Kennung N431HM von Grenchen nach Zürich geflogen. Der auf über 90 Flugzeugtypen erfahrene Pilot erzählt, wie es ist, die «Grand Old Lady» zu fliegen.

Roger Suter

Hans Jörg Herzog, wie war dieser Flug nach Zürich?

Es war ein bisschen wie heimkehren; ich war 28 Jahre hier bei Jet Aviation in Kloten als Kapitän, Flottenchef und Ausbilder tätig. 

Welche Maschinen haben Sie da gesteuert? 

Geflogen bin ich fast alle Citation-Typen, Hawker, Embraer – was halt so anfällt bei den Business-Jets. 

Die Umstellung auf so ein altes Flugzeug ist aber bestimmt gross ...

Hier ist alles Handarbeit, es gibt zum Beispiel keinen Autopiloten. Es braucht ein wenig mehr Gefühl und Verständnis für die alte Technik. 

Beim Verfolgen Ihres Fluges ist mir aufgefallen, dass die Maschine in der Höhe oft schwankte.

Wir waren heute nach Sichtflugregeln unterwegs, daneben war es wegen der Bise auch etwas «bumpy» (etwa: unruhig im Pilotenjargon). Da spielt es keine Rolle, wenn man mal 100 Fuss (gut 30 Meter) höher oder tiefer ist. 

Wie sind Sie dazu gekommen, so eine ­Maschine zu fliegen?

Das ist eine lange Geschichte: 1987 wurde ich bei der damaligen Classic Air als Copilot auf dieses Flugzeug umgeschult. Auch dieses hier ist ein Ex-Classic-Air-Flugzeug. Später wurde ich Kapitän, Fluglehrer und Experte – und jedes Mal, wenn der Flieger verkauft wurde, wurde ich ‹mitverkauft›.

Das heisst, Leute wie Sie sind rar. Wem gehört das Flugzeug inzwischen?

Es ist in Privatbesitz. Im Sommer steht es in Grenchen, im Winter in Dole Jura (F), in einem schönen, geheizten Hangar. Es tut ihm nicht gut, ständig draussen zu stehen. Man sieht es auch jetzt: Es ist gerade ziemlich voller Sand und Blütenstaub. 

Warum kam zum Erstflug-Anlass eigentlich keine DC-4, wie 1948 hier zum Erstflug Zürich–London eine gestartet ist? Gibt es keine mehr?

In Amerika gibt es noch welche. Aber eine solche Maschine hierher zu fliegen, ist wahrscheinlich etwas teuer. 

Nach dem Absturz einer noch etwas älteren Ju-52 beim Piz Segnas im August 2018 war die Sicherheit solch historischer Flugzeuge im Gespräch. Wie ist diese Maschine technisch ausgerüstet, damit sie hier offiziell noch fliegen darf?

Das Flugzeug selber ist noch weitestgehend original, bis auf das Cockpit. Dieses wurde gemäss den heutigen Vorgaben und Bedürfnissen mit modernster Flug-, Navigations- und Funkausrüstung umgebaut. Es erfüllt die Vorgaben, um nach ­sogenannten Instrumenten-Flugregeln «CAT1» zu fliegen, kann also noch bei 550 Metern Sichtweite, bei 200 Fuss Entscheidungshöhe und allen Wetterverhältnissen fliegen. Man kann sagen, es ist ‹fit› – auch mit den 80 Jahren, die es nächsten Monat alt wird. 

«Es braucht ein wenig mehr Gefühl und Verständnis für die alte Technik», sagt Pilot Hans Jörg Herzog. Bild: Roger Suter

Wie alt sind Sie selber und welche Vorgaben müssen Sie als Pilot erfüllen?

Ich bin 64 Jahre alt. Um die DC-3 zu fliegen, muss ich jedes Jahr eine DC-3-Flugprüfung und einen Medical Check bestehen. Da es keine DC-3-Simulatoren gibt, findet die Prüfung auf dem Flugzeug selber statt. Echte Handarbeit, die respektvoll und «safe» erledigt werden muss 

Das heisst, es muss mindestens jemanden geben, der ebenso viel darüber weiss wie Sie und Sie testen kann. 

Wir sind zu dritt in der Grossregion Schweiz. Es gibt noch Experten von den Vorbesitzern und andern DC-3-Operators wie zum Beispiel der Uhrenfirma Breitling. 

Und wer kümmert sich ums Mechanische?

Wir haben noch Mechaniker aus der ­Classic-Air-Zeit, welche immer noch eine DC-3-Zulassung haben und die Maschine sehr gut kennen. Daneben gibt es ein Team von englischen DC-3-Mechanikern, die überall auf der Welt Hilfe leisten, wenn Not am Mann ist.

Es steht also nicht zu befürchten, dass die Maschine beim nächsten fehlenden Ersatzteil gegroundet wird?

Nein, Ersatzteile gibt es viele! Bedenken Sie, von dieser Maschine wurden 16 000 Stück hergestellt – mehr als von jedem anderen Passagierflugzeug, das je gebaut wurde. Die meisten wurden nach ihrem Dienst in ihre Einzelteile zerlegt. Und weil etwa 15 000 davon Militärmaschinen waren, schafften die Armeen viele zusätzliche Ersatzteile an, damit sie auch ohne Nachschub lange weiterfliegen konnten. 

Sie müssen somit beim Ersetzen nicht auf Occasionsteile aus anderen Maschinen oder gar Eigenbauten zurückgreifen? 

Nein. Vor sechs Jahren haben wir beispielsweise zwei Motorverschalungen nigelnagelneu aus ihren Kisten genommen und montiert. 

Dann ist das Flugzeug nach wie vor sehr zuverlässig?

Und wie! Der amerikanische General Dwight D. Eisenhower (und spätere Präsident von 1953 bis 1961, Anm. d. Red.) soll gesagt haben, sein Land habe den Krieg wegen zweier Dinge gewonnen: wegen des Jeeps (ein leichtes Geländefahrzeug) und der DC-3.

Roger Suter
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