Roger Suter
Der Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen ist der älteste seiner Art. Mitglieder sind Gemeinden rund um den Airport in allen Himmelsrichtungen, vom aargauischen Klingnau bis Turbenthal im Tösstal, von Rafz am Rhein bis Oetwil an der Limmat. Dort fand kürzlich die halbjährliche Delegiertenversammlung des SBFZ statt, wozu Gemeindepräsidentin Rahel von Planta (FDP) 33 Delegierte begrüssen konnte. «Unser Dorf ist beschaulich und klein und liegt tatsächlich an der Limmat», scherzte sie mit Blick auf das andere Oetwil, das entgegen seinem Namen nicht am See liegt. Man habe 26oo Einwohnerinnen und Einwohner, aktive Vereine, eine Kulturkommission, 130 Kühe und 230 Rinder auf zwei noch aktiven Bauernbetrieben – aber auch Lärm, von der Autobahn, vom Rangierbahnhof Limmattal (der keine Nachtruhe kennt) und von den Richtung Westen startenden und nach Süden abdrehenden Flugzeugen.
Hier wurde auch gleich das Problem mit dem wichtigsten Flughafenentscheid für die nächsten Jahrzehnte klar: Die Gemeinden im Westen und Südwesten würden mit einer längeren Westpiste mehr Lärm erhalten, weil dann auch grosse Maschinen in diese Richtung starten könnten. Heute tun sie dies auf der längeren Piste Richtung Norden oder Süden, also über Opfikon. In der Folge ist die Einstellung der Gemeinden zu den Pistenverlängerungen auch abhängig von deren Lage: Der Westen, der Osten und der Norden sind tendenziell dagegen, der Süden, der von der Entlastung am meisten profitieren würde, ist dafür.
Auch Opfikon ist gespalten
Das Dilemma zeigt sich aber nicht nur zwischen den Gemeinden, sondern selbst innerhalb dieser, wie Opfikon exemplarisch zeigt: Stadtpräsident Roman Schmid (SVP) und Stadtrat Jörg Mäder (NIO@GLP, vom Stadtrat in den SBFZ-Vorstand beordert) wären für die Pistenverlängerungen, die vom Opfiker Gemeinderat delegierten Helen Oertli (Grüne) und Haci Sari (SP) gemäss ihren Parteivorgaben dagegen.
Auch im Vorstand des SBFZ sei die Frage «kontrovers» diskutiert worden, verriet SBFZ-Präsident Roger Götz (SVP), auch wenn die 2022 bestätigten Eckwerte des Verbands besagten, dass sich der SBFZ gegen Veränderungen am Pistensystem wehre – und als solche erachtet der Schutzverband die Verlängerungen. «Wir schlagen deshalb vor, dass wir uns als Verband nicht an vorderster Front für oder gegen das Vorhaben engagieren und das Feld eher den Verbänden mit Partikularinteressen zu überlassen», so Götz.
Verschiedene Voten bestärkten ihn darin, dass ein Engagement zur Zerreissprobe für den SBFZ werden könnte, der aufgrund seiner «wohlwollend-kritischen» Haltung gegenüber dem Flughafen auch schon Mitglieder wie Wallisellen ganz und Opfikon beinahe verloren hat. Der Bülacher Stadtrat Andreas Müller beispielsweise befürchtet für die Gemeinden im Norden Landentwertungen und neue Bauverbote, weil der Lärmteppich hier etwas grösser wird. Matthias Hauser, Gemeindepräsident von Hüntwangen, betonte, dass der Norden und der SBFZ ein gemeinsamer Gegenpol zum dichter bevölkerten Süden sein und gegen das Projekt stimmen sollten. Der Stadler Gemeinderat Daniel Haab ist nicht grundsätzlich dagegen, möchte aber den Fluglärm gerecht verteilt haben.
Opfikon schläft nur 51/2 Stunden
Helen Oertli (Opfikon) regte an, den Flughafen immerhin auf seine Versprechen zu behaften, dass der Nachtlärm mit längeren Pisten abnehmen würde. Roman Schmid sprach sich seitens des Opfiker Stadtrates für die Pistenverlängerungen aus, weil die Stadt während der letzten Wochen sehr viele Südanflüge erdulden musste und hier die Nachtruhe mit den Verspätungen auf 51/2 Stunden schmolz. Mit einer längeren Westpiste könnten die Landungen auch bei Bise (was Rückenwind für die Flugzeuge und damit einen längeren Bremsweg bedeutet) weiterhin von Osten erfolgen. Schmid begrüsste deshalb die Zurückhaltung des SBFZ bei den Pistenverlängerungen.
An der Delegiertenversammlung wurde zwar offiziell noch keine Position beschlossen, doch ein finanzielles Zeichen für die «Neutralität» in dieser Frage gesetzt: Der Budgetbetrag von 30 000 Franken für Kampagnen und dergleichen wird belassen und nicht auf 50 000 erhöht, wie ein Gegner der Pistenverlängerungen gefordert hatte.
Nur leicht konkreter wird der Verein zur geplanten Initiative «Fluglärmsolidarität», welche das Flughafengesetz punkto Lärm verschärfen will. Sie sei vom Grundsatz her «interessant», der Initiativtext gemäss Götz aber noch etwas «gummig» und die Initiative noch nicht «spruchreif», weshalb der SBFZ noch nicht dahinterstehen könne.
Brosi in der Höhle des Löwen
In seinem Halbjahresbericht ging Götz unter anderem auf diese Themen des vergangenen Jahres ein: Dass der Zürcher Fluglärm-Index dank Corona endlich unter dem Grenzwert liege, dass die Billig-Airlines 10 Prozent mehr Flüge als vor Corona anböten, die Swiss aber erst bei 85 Prozent ihrer Kapazitäten angelangt sei und dass man den neuen Vorsteher des Bundesamts für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, Bundesrat Albert Rösti, für ein Gespräch angefragt habe (was derzeit viele wollten, weshalb man sich gedulden müsse).
Zum Schluss hatte der Gast das Wort: Es war bezeichnenderweise Lukas Brosi, seit kurzem CEO der Flughafen Zürich AG. Weil er sich diesbezüglich noch in der «Lernphase» befinde, habe er für Fragen, die durchaus kritisch ausfielen, und für technische Details den Chief Operation Officer, Stefan Tschudin, mitgebracht. Brosi betonte, dass die Nachfrage nach Flugreisen derzeit trotz hoher Preise und ohne Zutun des Flughafens gross sei. Er beklagte auch, dass im Moment viel über die Lasten und wenig über den Nutzen des Flughafens geredet werde. «Wir haben kein Wachstumsziel, sondern decken ein vorhandenes Bedürfnis ab.» So sei der Flugverkehr im Gleichschritt mit der Wirtschaft und der Bevölkerung gewachsen. Die Situation mit Personalmangel in Deutschland und Streiks in Frankreich erschwerten es zusätzlich, die regulären Betriebszeiten einzuhalten. Und in Sachen Pistenverlängerungen spüre er viel Misstrauen. «Selbst ein knappes Ja dazu ist für uns kein gutes Resultat.»