Daniel Jaggi
Die Zahlen sind dramatisch. Mit 40 Jahren arbeiten 70 Prozent der gelernten Zimmerleute nicht mehr in ihrem Beruf. Die Konsequenz: Es besteht in der Holzbaubranche ein akuter Fachkräftemangel. Dieser wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern, denn auf drei Babyboomer, die nun langsam ins Pensionsalter kommen, kommt eine Person der Generation Z – und die tickt noch dazu anders. Für viele der zwischen 1995 und 2010 Geborenen und mit dem Handy Aufgewachsenen sind Familie, Spass und Freunde im Leben wichtiger als beruflicher Erfolg. Die Branche ist sich deshalb bewusst, wie an einer Tagung im November 2022 ausgeführt wurde: «Auch Holzbauunternehmen müssen sich der Frage stellen, wie sie attraktive Arbeitsbedingungen für die nächste Generation schaffen können.»
Die Antwort hat die Klotener Holzbaufirma Frischknecht bereits gefunden. Auch sie leidet unter dem Fachkräftemangel. «Wir könnten auf der Stelle zehn zusätzliche Berufsleute einstellen», sagt Nico Fritzmann. Schweizweit würden 4000 Zimmerleute fehlen. Und ein Ende sei nicht absehbar, so der stellvertretende Leiter der Frischknecht Holzbau-Team AG. «Im Kanton Zürich werden jährlich gerade mal 100 neue Zimmerleute ausgebildet. Viel zu wenig», ergänzt Richard Frischknecht, vor allem auch, weil die Holzbranche derzeit einen Boom erlebe. «Holz ist im Trend, das ist schön für uns», so der Firmeninhaber. Wie schön, lässt sich am Arbeitsvorrat ablesen. Der ist bis kommenden Sommer gesichert.
Attraktive Arbeitsplätze schaffen
Doch Richard und Irene Frischknecht, die als Verwaltungsräte in der Verantwortung stehen, wollen Gegensteuer geben. Eine Möglichkeit ist, den Arbeitsplatz attraktiver zu gestalten, um so den veränderten Bedürfnissen der Jungen nachzukommen und für Berufsleute attraktiver zu sein, als es die Konkurrenz ist. «Auch Zimmerleute wünschen sich einen Papi-Tag», ist Fritzmann überzeugt.
In Absprache mit dem Verband Holzbau Schweiz führten sie deshalb Anfang 2022 die Viertagewoche ein. Für die über 40 Angestellten, die zuvor zur Änderung befragt wurden, änderte sich auf der Lohnseite nichts. Sie verdienen weiterhin 100 Prozent. «Arbeiten an den vier Tagen aber länger», so Fritzmann. «Das konnten wir nur mit Zustimmung des Verbandes machen, denn im geltenden Gesamtarbeitsvertrag sind die fünf Arbeitstage pro Woche festgeschrieben», so Frischknecht. Und so ist die Änderung auch ein schweizweit einmaliges Pilotprojekt, das von der Paritätischen Kommission der Holzbaubranche begleitet und über eine Bachelor-Arbeit ergründet wird.
Die Belegschaft ist in der Folge in zwei Gruppen aufgeteilt worden. Während die erste von Montag bis Donnerstag arbeitet, kommt die zweite erst am Dienstag ins Geschäft, arbeitet aber bis Freitag. Um Gleichheit zu schaffen, wird nach einer bestimmten Zeit gewechselt. «Bei so einem Wechsel hat ein Teil der Angestellten sogar von Freitag bis Dienstag frei», so Fritzmann, der anfügt, wie beliebt solche Wechsel seien. Mit einer 10-Stunden-Tagesarbeitszeit wird die Reduktion der Arbeitstage um wöchentlich einen Tag aber nicht gänzlich kompensiert. So beläuft sich die Jahresarbeitszeit von einst 2190 auf noch 2080 Stunden, was einem Minus von 5 Prozent entspricht. «Diese fünf Prozent haben wir der Belegschaft quasi als Lohnerhöhung geschenkt», sagt Inhaber Richard Frischknecht. Klar ist aber auch, dass planbare Termine der Angestellten, wie Arzttermine oder Fahrprüfungstermine, am freien Tag erfolgen müssen. «Das war früher oft mühsam», so Frischknecht. Fehlte in einem Zweierteam plötzlich jemand, dann sei der Ausfall substanziell gewesen.
Stellt sich abschliessend die Frage, ob das Viertage-Arbeitsmodell auch Nachteile hat? «Den einzigen Nachteil, den wir bislang ausmachen konnten, betrifft Angestellte, die in Vereinen engagiert sind», so Richard. Durch die längeren Arbeitszeiten könne man erst später am Vereinsleben teilnehmen.
Keine Begeisterung auf dem Bau
Während man in der Holzbranche gespannt auf die Ergebnisse des Projektes wartet, zeigte man sich auf den Baustellen weniger begeistert darüber, dass am Freitag nicht mehr gearbeitet wurde. Frischknecht: «Dass wir an den anderen Tagen früher da waren und die Baustelle als Letzte verliessen, hat die Architekten und Bauleiter aber nicht interessiert.»
Unbesehen davon sind Frischknecht und Fritzmann stolz, den Schritt gewagt zu haben. Die Auszeichnung durch den Verein Standort Zürcher Unterland ist mit ein Beleg dafür, auf dem richtigen Weg zu sein. Und weil alle Mitarbeiter für den Erfolg des Projekts mitverantwortlich sind, will man mit der Preissumme von 5000 Franken ein Mitarbeiterfest organisieren.