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Stadt Zürich
10.07.2024
09.07.2024 13:40 Uhr

Abschied von den Nebelwolken

Mit dem Kinderspass auf dem Turbinenplatz dürfte es vorbei sein: Die Nebelwolke wird nicht wiederkehren.
Mit dem Kinderspass auf dem Turbinenplatz dürfte es vorbei sein: Die Nebelwolke wird nicht wiederkehren. Bild: Tabea Vogel
Seit Jahren setzt die Stadt Massnahmen zur sommerlichen Hitzeminderung um. Manches testet sie auch nur, wie zum Beispiel die Nebelwolken auf dem Turbinenplatz. Warum diese vielleicht für immer abgezogen sind, erfahren Sie hier.

Tobias Hoffmann

Hitzeminderung – nein danke!, möchte man nach diesem «feuchtunfröhlichen» Juni ausrufen. Und schon gar nicht mag man an die in den Sommern 2022 und 2023 getesteten künstlichen Nebelwolken auf dem Turbinenplatz im Kreis 5 denken: Wozu künstliche Wolken, wo uns doch das natürliche Grau tief in die Gemüter hängt! Aber keine Sorge: Diese Probe­nebelwolken sind Geschichte. Allerdings nicht, weil uns das Wetter dieses Jahr fortlaufend die kalte Schulter zeigt, sondern weil sich der Hitzeminderungseffekt der Sprühwolken offenbar in Grenzen hält.

Auf das Thema Nebelwolke stossen wir, weil die Stadt kürzlich einen sogenannten Statusbericht über ihre Massnahmen zur Hitzeminderung in den Jahren 2020 bis 2023 vorgelegt hat. Rund 40 Massnahmen hat sie in dieser Zeitspanne umgesetzt oder initiiert. Die dazugehörige Medienmitteilung enthält gleich vier Bilder von den Nebelwolken, geht dann im Text allerdings gar nicht mehr auf das Thema ein. Fündig wird man auf einer Webseite von Grün Stadt Zürich, wo es abschliessend heisst: «Es sind keine weiteren Projekte mit der Nebelwolke geplant.» Eine Begründung bleibt jedoch aus.

1800 Bäume zusätzlich

Aber widmen wir uns zuerst kurz den vielen umgesetzten Massnahmen: Besonders stolz ist die Stadt auf die Entsiegelungen und die Baumpflanzungen in der Heinrichstrasse, wo ein markanter Grünstreifen entstanden ist. Es sei ein «herausragendes Beispiel» für die Verbesserung der Baumbilanz, heisst es im Statusbericht. Wir haben in dieser Zeitung ausführlich über dieses Projekt berichtet. In den bestehenden Parkanlagen bilanziert die Stadt für die Jahre 2021 bis 2023 ein Plus von 1800 Bäumen, also Neupflanzungen, über den Ersatz von alten und kranken Bäumen hinaus.

Erwähnt wird auch das Pilotprojekt «Zürich West». Dort wurden zwei Verkehrsinseln entsiegelt und begrünt. In der Roggenstrasse führte die Stadt einen Versuch mit helleren Strassenbelägen durch. Deren Kühlungswirkung stellte sich als gering heraus, vor allem, weil die Strasse durch die umliegenden Häuser häufig beschattet wird. Ganz anderer Art sind die sogenannten Vertikalbegrünungen, darunter die besonders plakative Begrünung der Fassade des Triemli-Hochhauses. Der Massnahmen sind noch eini­ge mehr, von der Steuerung der Kaltluftzirkulation bei neuen städtischen Bauprojekten bis hin zu Entsiegelungen und Baumpflanzungen auf Schulhausarealen.

Fassadenbegrünung am Stadtspital Zürich Triemli. Bei diesem Pilotprojekt der Hitzeminderung stand die Wirkung auf das Innenraumklima und die Umgebung im Vordergrund. Bild: Stadt Zürich

Vom Winde verweht

Kehren wir nun zum Geheimnis der erfolglosen Nebelwolke zurück. Dass das Projekt auf dem Turbinenplatz angesiedelt wurde, leuchtet ein. Ein beträchtlicher Teil des Platzes, der zu den grössten der Stadt zählt, ist mit Betonplatten bedeckt. Hitzeinselpotenzial: sehr gross. Was aber nun hatte es mit der Versuchsanlage auf sich? Licht in die Sache bringt ein Bericht der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), die das Projekt wissenschaftlich begleitete.

Auf den Sommer 2022 hin wurde im baumlosen Teil des Platzes auf fünf Metern Höhe ein «Fog-Ring» (ein Nebelring also) mit 9 Metern Durchmesser und 180 Düsen angebracht. Den potenziellen Kühleffekt von feinen Wassertröpfchen, die versprüht werden, zeigt der ZHAW-Bericht mit ­einem Beispiel auf: Ein Zimmer von 20 Quadratmetern Grösse würde durch das Verdunsten von einem Liter Wasser um sage und schreibe 30 Grad Celsius abgekühlt.

Auf dem offenen, weiten Turbinenplatz ebbte der Effekt, so scheint es, aber nach wenigen Metern ab. Im Sommer 2023 wurde der Versuch um zwei deutlich kleinere Fog-Ringe auf rund 3 Metern Höhe und eine Fog-Linie auf Kniehöhe entlang einer Sitzbank erweitert. Bei den Messungen spielte aber natürlich die Position der Stationen eine wesentliche Rolle. Die Bilanz der ZHAW und die Zusammenfassung der Stadt stimmen denn auch nicht sehr gut überein.

Nichts geht über Bäume

Das Fazit der ZHAW lautet: «Die Abkühlung der Luft durch die künstlichen Nebelwolken beträgt meist weniger als 1 °C und ist räumlich beschränkt.» Und doch würden Sprühnebel zu ähnlicher oder stärkerer Abkühlung führen als zum Beispiel die Entsiegelung oder die Aufhellung der Oberflächen. Die Stadt hingegen spricht von einer messbaren Abkühlung von 2,5 Grad in der Umgebung der Wolke. «Der grösste Effekt», heisst es dann aber, «wurde schliesslich bei der bodennahen Nebellinie und dem Schatten der Bäume festgestellt.» Und plötzlich ist von einem Kühlungseffekt bei der gefühlten Wärme von über 10 Grad die Rede.

Vielleicht liegt in dieser fast beiläufig platzierten Anmerkung der Hase im Pfeffer: Angesichts der Wirksamkeit von Bäumen wirkt alles andere wie Peanuts. Das Fazit könnte ganz einfach sein: Um das Pflanzen von möglichst vielen Bäumen kommt man nicht herum. Andere Massnahmen lohnen die Mühe kaum.

Tobias Hoffmann/Zürich24
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