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Kanton Zürich
27.02.2023
24.02.2023 17:36 Uhr

Die alte Regierung ist auch die neue

Der Kanton Zürich wird auch nach den Wahlen vom gleichen Gremium regiert.
Der Kanton Zürich wird auch nach den Wahlen vom gleichen Gremium regiert. Bild: Rahel Köppel
Die Wahlumfragen lagen daneben: Bildungsdirektorin Silvia Steiner (Mitte) wurde komfortabel wiedergewählt. Ihre grösste Herausforderin, SP-Kandidatin Priska Seiler Graf, schaffte den Einzug in die Regierung nicht. Im Parlament mussten die Grünen Federn lassen.

Schon früh am Wahlsonntag wurde offensichtlich, dass Silvia Steiner (Mitte) nicht zu zittern brauchte. Alle bisherigen Regierungsrätinnen und Regierungsräte schafften die Wiederwahl klar. Sichtlich erleichtert und guter Laune zeigte sich darum Steiner: «Ich freue mich sehr über das ­Resultat und darüber, dass ich meine Aufgabe weiterführen kann.» Die Oerliker ­Bildungsdirektorin war im Vorfeld als ­Wackelkandidatin gehandelt worden. Onlineumfragen hatten sogar auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen ihr und Priska Seiler Graf von der SP hingedeutet. Am Schluss blieb es aber bei einem komfortablen Vorsprung auf die Nationalrätin.

«Solche Onlineumfragen geben nie ein vollständiges Bild wieder», mutmasste Steiner. «Viele meiner Wählerinnen und Wähler sind wohl noch stärker analog unterwegs.» Steiner hofft nun, dass die Mitte das Momentum – die Partei eroberte drei zusätzliche Sitze im Parlament – auch für die nationalen Wahlen mitnehmen kann.

Ein Glanzresultat holte der Adliswiler Mario Fehr (parteilos) mit 192 711 Stimmen. Fehr war 2021 aus der SP ausgetreten. Die Plätze 2 und 3 eroberten die SVP-Regierungsräte Natalie Rickli (181 842 Stimmen) und Ernst Stocker (177 639). Dahinter folgte Baudirektor Martin Neukom (Grüne) mit 161 864 Stimmen. Mit etwas Abstand belegten SP-Justizdirektorin Jacqueline Fehr (148 610 Stimmen), Silvia Steiner (146 242) und FDP-Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (145 444) aus Wipkingen die Ränge 5 bis 7.

Umfrage mobilisierte Bürgerliche

Priska Seiler Graf (120 586 Stimmen) zeigte sich am Wahlsonntag enttäuscht, aber gefasst. «Es war von Anfang an eine schwierige Aufgabe, gegen sieben Bisherige anzutreten», sagte Seiler Graf. Die Umfragen hätten ihr natürlich Hoffnungen gemacht, sie habe sich aber trotzdem keinen Illusionen hingegeben. Die SP-Nationalrätin und ausgebildete Sekundarlehrerin wäre gern Regierungsrätin geworden, um sich als Bildungsdirektorin für die Lehrpersonen einzusetzen. «Die Lehrerinnen und Lehrer müssen dringend entlastet werden und es braucht eine Lösung für den Lehrpersonenmangel», betonte Seiler Graf. Nun wolle sie erst mal durchatmen. Danach gehe es schon fast nahtlos weiter mit dem nationalen Wahlkampf. «Ich bin da sehr positiv gestimmt.»

Michael Hermann wehrt sich

Hohe Wellen schlug in den Medien die Wahlumfrage des Forschungsinstituts Sotomo, die im Auftrage des «Tages-Anzeigers» zwischen dem 27. Dezember 2022 und dem 3. Januar 2023 online durchgeführt wurde. Gemäss Umfrage hätten damals 36 Prozent der Wählenden Priska Seiler Graf (SP) auf den Wahlzettel geschrieben, gleich viele wie die Bisherige Silvia Steiner. Daraus folgerten gewisse Medien, dass der Sitz von Steiner «akut gefährdet» sei. Wie erklärt sich Sotomo-Geschäftsführer Michael Hermann den Unterschied am Wahltag – Steiner holte gut 18 Prozent mehr Stimmen als Seiler Graf? «Die Umfrage erfolgte sechs Wochen vor den Wahlen. Aus den Resultaten erfolgte eine
Dynamik. Die Bürgerlichen mobilisierten daraufhin stärker, es gab viele taktische Wähler, auch kurz vor der Schliessung der Wahllokale», sagt Hermann. «Die Berichterstattung der Medien im Vorfeld hat Silvia Steiner mehr geholfen als geschadet», so der Politologe. Die Sotomo-Umfrage sei nicht falsch gelegen. «Die Rangliste der 14 Regierungsratskandidatinnen und -kandidaten hat insgesamt sehr gut gestimmt, nur Steiner hat einen Sprung nach vorne gemacht.»
Früher konnten Umfrageinstitute noch eine Mehrheit der Menschen über ihre Festnetznummer erreichen. Heute muss oft auf Onlineumfragen zurückgegriffen werden, bei denen gewisse Bevölkerungsgruppen nicht mitmachen. «Tatsächlich wird es immer schwieriger, Leute zu erreichen, die an repräsentativen Umfragen mitmachen», sagt Hermann.

Klar hinter Priska Seiler Graf lag FDP-Kandidat Peter Grünenfelder. «Für den von mir verfochtenen liberalen Aufbruch mit ­einer umfassenden Modernisierung der Kantonspolitik fehlten leider die nötigen Stimmen», so der Zürcher, der in der Altstadt lebt, in einer Mitteilung. Nach ihm reihten sich der GLP-Kandidat Benno Scherrer und die Zürcher AL-Kandidatin Anne-Claude Hensch ein.

SVP und SP legen im Parlament zu

Chancenlos blieben auch der parteilose Hans-­Peter Amrein und der EVP-Kandidat Daniel Sommer. Amrein erreichte sein Ziel zwar trotz seiner gross angelegten Kampagne nicht, er schnitt mit 62 025 Stimmen aber klar besser ab als EVP-Kandidat Sommer (42 961 Stimmen). Für Amrein, ehemaliger SVP-Politiker und heute parteiloser Kantonsrat, ist die Zeit im Parlament am Ende der laufenden Amtsperiode vorbei. Er will sich aber weiterhin kantonal und national für die Zürcher Bevölkerung einsetzen. Dazu kündigte er die Gründung einer Stiftung für Freiheit und Transparenz im Kanton Zürich an. Im Kantonsrat mussten die AL, die EVP und die Grünen eine Wahlschlappe hinnehmen. Die AL und die EVP verloren je einen Sitz. Die Grünen büssten sogar drei Sitze ein. In einer Mitteilung relativierte die Ökopartei den Verlust damit, dass sie ­ihren Wähleranteil nach der grünen Welle im Jahr 2019 auf hohem Niveau habe halten können.

Isabel Garcia verärgert viele

Die Klimaallianz aus SP, GLP, Grünen, EVP und AL verfügte am Wahlsonntag mit 91 Stimmen im 180-köpfigen Parlament aber immer noch über eine Mehrheit – ­allerdings eine sehr knappe. Diese gilt nun gut zwei Wochen später nicht mehr. Denn die GLP-Kantonsrätin Isabel Garcia aus dem Kreis 9 hat völlig überraschend ihren Parteiwechsel zur FDP bekannt gegeben. Während die FDP jubilierte, gab es geharnischte Reaktionen von Links-Grün. Denn damit gibt es im Kantonsrat bei Vollbesetzung eine Pattsituation: 90 Mitglieder vom links-grünen Lager versus 90 Mitglieder der Bürgerlichen (neu mit Isabel Garcia). Die GLP gab sich in einem Communiqué sehr zurückhaltend, ein wenig wie in Schockstarre. 

Doch zurück zum Wahlsonntag: Weil es am Anfang in den Hochrechnungen so aussah, als könnte die SP auch im Kantonsrat auf der Verliererseite stehen, war die Stimmung bei den Sozial­demokraten entsprechend angespannt. Umso grösser darum die Freude, als am Ende klar war, dass die Partei sogar einen Sitz dazugewinnen würde.
Auch die SVP darf sich über einen Sitzgewinn freuen und bleibt mit Abstand die stärkste Kraft im Kanton. Zu den Gewinnern gehören zudem die GLP (+1) und die Mitte (+3). Die FDP konnte ihre Sitze halten, die EDU verlor einen Sitz.

Pascal Turin & Lorenz Steinmann
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